Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre

Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre

Titel: Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Bainbridge
Vom Netzwerk:
Drittel dieses Buches mit ihm beschäftigt. Eines ist allerdings ziemlich auffällig bei uns Menschen: Wir können keine einzige Sache besonders gut. Weder sind wir überaus stark, schnell oder robust, noch haben wir eine angeborene Fähigkeit, sonderlich gut zu jagen, zu sammeln, zu reden oder spezielle Dinge zu machen. Im Gegensatz zu anderen Arten kommt der Mensch ziemlich »unprogrammiert« zur Welt, mit so gut wiekeiner »Software«. Diesen Mangel gleicht er aber durch eine unglaubliche »Hardware« aus: Das menschliche Gehirn ist nämlich viel, viel größer, als die Steuerung eines Lebewesens unserer Größe erfordert, selbst eines Primaten. Und es sieht so aus, als könnte das Gehirn mit genügend Zeit so gut wie alles lernen. Teilweise lernt es durch Übung, teilweise durch Schulung durch andere, erfahrenere Menschenhirne. Wobei das Erlernen einer Sache schon mal ein paar Jahrzehnte in Anspruch nehmen kann – wie wir bereits gesehen haben, braucht man für die Jagd etwa fünfundzwanzig »Lehrjahre«. Die Fähigkeit, vieles zu lernen, dafür aber Zeit zu brauchen, könnte einer der Gründe dafür sein, dass Menschen so lange leben. Ungeachtet der langen Dauer sind aber die Flexibilität und die Kapazität des Gehirns sowie die damit einhergehende Lust am Lernen ausschlaggebend dafür, dass wir uns von schwachen, mangelhaft ausgestatteten Winzlingen in die Beherrscher der Welt verwandeln.
    Ein Gehirn wie das unsere zu betreiben, ist ziemlich aufwändig. Jeder einzelne Kubikzentimeter verbraucht riesige Mengen an Energie, und wir Menschen besitzen unverhältnismäßig viele Kubikzentimeter. Und wie wir noch sehen werden, ist eine der Besonderheiten im menschlichen Leben, dass bei Erreichen des mittleren Alters dieses riesige, anspruchsvolle Organ immer noch prächtig funktioniert  – es verbrennt nach wie vor Energie und zeigt keine Ermüdungserscheinungen, obwohl es Teil eines Körpers ist, der seine Fruchtbarkeit und zunehmend auch seine Konturen verliert. Anders ausgedrückt, ist im Middle-Age ein dramatischer Abfall der Gehirntätigkeit eher ungewöhnlich. Und diese andauernde Funktionstüchtigkeit des menschlichen Gehirns bedarf einer Erklärung.
    Selbstverständlich verändern sich Dinge im mittel-alterlichen Gehirn, dessen bin ich mir sehr wohl bewusst. Im Brotberuf bringe ich in Cambridge jungen Studenten zwischen achtzehn undeinundzwanzig Veterinärmedizin bei, oft in kleinen Gruppen im  Rahmen intensiver und interaktiver Unterrichtseinheiten. Die meisten sind viel intelligenter als ich, und jeder einzelne ist schneller, dennoch gelingt es mir meist, ihnen einen Schritt voraus zu sein  – und ich kenne Fünfundsechzigjährige, die das regelmäßig auch hinkriegen. Wir Älteren haben natürlich ein viel größeres Wissen als die Jungen, aber das alleine würde uns nicht helfen, wenn unser Denkvermögen abnehmen würde. Ich glaube, dass wir unseren Vorsprung nicht deshalb halten können, weil wir mehr denken (oder schärfer oder etwa schneller), sondern weil wir anders denken. Jeden Tag werde ich darauf gestoßen, dass mein Gehirn anders denkt als vor zwanzig Jahren. Vielleicht muss es irgendetwas kompensieren, vielleicht verbessert es sich auch nur – das bleibt für den Moment abzuwarten. Auf jeden Fall bin ich davon überzeugt, dass unser aller Denken sich im mittleren Alter in mehr oder weniger gleicher Weise verändert. Was daran liegt, dass diese Veränderungen als Teil unserer für die Entwicklung zuständigen »Lebensuhr« bei jedem von uns vorprammiert sind, jener Uhr, die auch während unseres fünften und sechsten Lebensjahrzehnts unablässig weitertickt.
    Sind wir im Middle-Age also schon auf dem absteigenden Ast oder gerade erst am Gipfel angekommen? Entwickelt sich unser Gehirn weiter oder baut es ab? Und warum geht es manchen Leuten die Leistung ihres Gehirns betreffend besser als anderen – was mit fortschreitendem Alter zu so vielen Ungerechtigkeiten führt? Wie sich zeigen wird, ist das menschliche Gehirn hervorragend geeignet, als Beispiel für die Besonderheit des mittleren Alters zu dienen – hier zeigen sich alle Amortisationen, Ausgleichbewegungen und Kompromisse, mit denen unsere Art über die Jahrtausende hinweg kämpfen musste. Wir versuchen, unsere Denkfähigkeit aufrecht zu erhalten, wobei wir zu diesem Zweck das Wie unseres Denkens komplett verändern müssen. Das mittelalterlicheDenken besticht auch durch seine Raffiniertheit. Nach außen hin werden wir im

Weitere Kostenlose Bücher