Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
Middle-Age sind Arteriosklerose, verstopfte Herzkranzgefäße und Herzinfarkte durch und durch menschliche Phänomene – denn bei den meisten Säugetieren gibt es sie einfach nicht. Menschenaffen und einige Vogelarten kennen derlei Probleme durchaus, aber die Häufigkeit, mit der Erkrankungen der Herzkranzgefäße beim Menschen auftreten, ist einfach frappierend. Wir wissen, dass Arteriosklerose den Menschen seit mehreren tausend Jahren begleitet. Ägyptische Priester nahmen etwa nach Opferzeremonien regelmäßig die im Tempel zurückgelassenen Fleischreste mit nach Hause, und an ihren einbalsamierten Leichen ist feststellbar, dass sie deshalb schon in jungen Jahren an Arterienverkalkung starben. Eine andere Krankheit, die oft mit Fettleibigkeit und Herzleiden in Verbindung gebracht wird, hat auch eine lange Geschichte: Typ-2-Diabetes (medizinische Bezeichnung: nicht primär insulinabhängiger Diabetes mellitus). Schon die Ägypter, die Griechen und die Römer beschrieben diesenZustand, bei dem ein übergewichtiger Körper nicht mehr auf Insulin reagiert und sich in den Herzkranzgefäßen vermehrt Fett ablagert. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts verband man keine andere Krankheit so direkt mit Überfluss wie Typ-2-Diabetes (abgesehen von der Gicht).
Das Zusammenspiel von Übergewicht, Diabetes und Herzerkrankungen ist recht kompliziert. Mehr Fett im Körper bedeutet automatisch eine größere Belastung des Herzens, aber es schädigt das Herz auch indirekt, weil es für Diabetes und Bluthochdruck verantwortlich ist und zudem den Fetthaushalt im Blut durcheinanderbringt. In den Industrieländern steigen zwischen dem zwanzigsten und dem sechzigsten Lebensjahr die Cholesterinund Triglycerid-Werte im Blut an, zwischen dreißig und sechzig der Blutdruck. Ab fünfzig wird der Puls unregelmäßiger, und die vom pumpenden Herz bewegte Blutmenge nimmt ebenfalls ab. Schuld daran scheint vor allem das Fett in den Bäuchen der Middle-Ager zu sein, denn vermutlich sendet es chemische Signale, die bei anderen Organen eine Insulin-Ignoranz bewirken. Im Gegensatz dazu ist subkutanes Fett relativ harmlos, weshalb eine Fettabsaugung oder eine Bauchstraffung Ihr Herz nicht retten werden (chirurgisch entferntes Fett wird ohnehin schnell ersetzt, wenn man seine Ernährung nicht umstellt).
Warum haben die Menschen also dieses idiotische System ausgebildet, das auf unseren Appetit so gut wie keinen Einfluss hat, uns im Middle-Age aber schon bei der geringsten Gewichtszunahme gesundheitlich belastet?
Eines dürfte klar sein. Menschen mittleren Alters beschaffen und konsumieren Nahrung nicht mehr so wie einst. Als wir noch keine Ackerbauern waren, ernährten wir uns zwar ausreichend, aber mehr Nahrung zu beschaffen als unbedingt nötig, war wenig sinnvoll. Weil wir weniger aßen, wurden wir auch nicht dick. Und weil Fettleibigkeit nicht vorkam, musste auch kein hormonellesSystem ausgebildet werden, das einer Fettleibigkeit entgegensteuert. Als dann der Ackerbau Einzug hielt, war die gewonnene Nahrung das Resultat eines harten Kampfes – und zudem weitgehend vegetarisch. Hungersnöte waren an der Tagesordnung, jahreszeitliche Ernten bedeuteten jahreszeitliche Engpässe, dazu kamen soziale Unterschiede und also Ungerechtigkeiten in den größeren Siedlungen, die alles noch schlimmer machten. Unter evolutionären Gesichtspunkten bestand in den letzten paar Jahrtausenden einfach kein Anlass, Maßnahmen gegen so etwas wie Übergewicht einzuleiten, wohingegen der Anreiz, in Zeiten des Überflusses Fett ansetzen zu können, durchaus gegeben war.
Manche Anthropologen vermuten sogar, dass der menschliche Körper sich bereits viel früher an den Hunger angepasst haben könnte, nämlich vor mehreren Hunderttausend oder gar Millionen von Jahren, als Klimaveränderungen zu reduziertem und unregelmäßigem Nahrungsvorkommen führten. Man könnte uns aufgrund unseres Körpers vielleicht sogar als »Hunger-Spezies« definieren: mit langwieriger Entwicklung, langem Leben, großem Gehirn, um mit Widrigkeiten fertig zu werden, sowie geringer Fruchtbarkeit, die nur zunimmt, wenn unsere Weibchen ein gewisses Gewicht erreicht haben. Auf jeden Fall ist der Stoffwechsel, den wir geerbt haben, ausschließlich darauf ausgerichtet, die Pfunde beizubehalten – und mitnichten darauf, sie loszuwerden.
Diese Theorie hat sogar einen Namen: »Thrifty Gene Hypothesis«, deutsch etwa Theorie vom »Sparsamkeitsgen«. Man geht bei dieser »sparsamen Veranlagung«
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