Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
Geschlechts dicker? Zunächst muss man die üblichen Verdächtigen betrachten. Middle-Ager haben meist Jobs, die sie körperlich nicht sehr fordern, zudem machen sie viel weniger Sport als in ihrer Jugend. Sie haben mehr Geld, um sich Essen und Alkoholleisten zu können, außerdem ist ihnen ihr Aussehen längst nicht mehr so wichtig wie früher, weil sie jetzt eher in einer festen Beziehung leben. Jeder von uns kennt Paare, die ab dem Zeitpunkt Pfunde ansammelten, an dem die große Liebe in ihr Leben trat, genau wie wir andersherum sicher beobachten konnten, wie jemand nach einer Trennung abgenommen hat, bis ein im Grunde jagdtaugliches Gewicht erreicht war.
Faulheit, Gier und sexuelle Zufriedenheit sind indessen nicht die einzigen Gründe. Im Middle-Age treten gewaltige Veränderungen des Körpers auf – eine davon nennt sich »Sarkopenie«. Das klingt jetzt vielleicht dramatisch, heißt aber nichts weiter, als dass die Muskelmasse abnimmt – wogegen man ziemlich wenig ausrichten kann. Die Sarkopenie macht sich insbesondere im Middle-Age bemerkbar, und wo sie bei Frauen erst jenseits der vierzig einsetzt, kann sie bei Männern schon in den Zwanzigern auftreten. Wir wissen nicht genau, warum es sie gibt, aber als Auslöser kommen eine hormonelle Umstellung und der Verfall muskelaktivierender Nerven in Frage – oder vielleicht sogar beides. Sarkopenie wirkt sich zwangsläufig auf Kraft und Stärke aus – so lässt etwa die Intensität des Händedrucks zwischen fünfundvierzig und fünfundsechzig um 15% nach. Angesichts dessen, dass die Nahrungsbeschaffung in menschlichen Gemeinschaften weitgehend den Männern mittleren Alters oblag, mag es seltsam erscheinen, dass ausgerechnet in dieser Lebensphase die Körperkraft nachlassen soll. Vielleicht unterstreicht dieser Umstand aber wiederum, dass Erfahrung und Listigkeit wertvoller sind als nur die reine Körperkraft.
Mittel-alterliche Sarkopenie hat gewaltige Auswirkungen auf den Stoffwechsel. Muskeln sind eine aktive Gewebemasse, die außerordentlich viel Energie verbraucht, und wenn sie schrumpfen, sinkt auch der Kalorienbedarf des Körpers. Zudem kann sich eine verringerte Muskelmasse auf die Art und Weise der Fettumwandlungauswirken. Unterm Strich bedeuten diese Veränderungen, dass unsere Energieverbrennung im Ruhezustand – die sogenannte »Basal Metabolic Rate« (BMR) – im Lauf des Middle-Age stetig abnimmt und wir jedes Jahr pro Tag zehn Kalorien weniger verbrauchen. Um unser Gewicht stabil zu halten, sollten wir also einfach weniger essen – was uns indessen nicht immer leicht fällt. Allein diese Tatsache erklärt schon, warum Middle-Ager, die es geschafft haben abzunehmen, sich so ungemein anstrengen müssen, wenn sie diesen Zustand auch beibehalten wollen.
Der Schlamassel wird noch dadurch vergrößert, dass Menschen im mittleren Alter meist gar nicht bemerken, dass sie Fett ablagern, weil es ja an die Stelle der abnehmenden Muskelmasse tritt. Dieser Eins-zu-Eins-Austausch kann zu einer nur unmerklichen Zunahme des Körpergewichts führen, selbst wenn der Anteil an Körperfett dabei rapide ansteigt. Was sich aber auf jeden Fall verändert, wenn Muskeln durch Fett ersetzt werden, ist die Körperform. Das Schwinden der Muskelmasse betrifft vor allem die Gliedmaßen (dort befinden sich die größten Muskeln), wohingegen die Fettbildung sich auf die Bauchgegend konzentriert, zumindest bei Männern. Das hat dann die typische »Alte-Männer«-Figur zur Folge: dicker Bauch und dürre Beine. Und die Moral dieser Geschichte ist: Wer im Middle-Age fit sein will, sollte auf seinen Bauchumfang achten und nicht so sehr auf das Gewicht oder irgendeinen Body-Mass-Index.
Weniger klar ist allerdings, ob Frauen sich anderen Herausforderungen zu stellen haben. Der landläufigen Annahme gemäß werden Frauen dicker, sobald ihre Fruchtbarkeit nachlässt, ganz analog zu der Gewichtszunahme bei sterilisierten Haustieren. Etwas Derartiges wäre nicht wirklich überraschend, denn wir wissen ja, dass das Reproduktionssystem den Energiehaushalt eines Tieres ganz schön beansprucht. Das Ende der Reproduktion müsste demnach bedeuten, dass eine Menge Kalorien unverbrannt bleiben.Bislang konnte allerdings noch nicht definitiv geklärt werden, ob die Gewichtszunahme bei Frauen eine Alterserscheinung ist oder von der Menopause ausgelöst wird – die Statistiken geben da keine genaue Auskunft. Gleicht man etwa hormonelle Veränderungen der Menopause durch eine
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