Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
Verheiratete mit größerer Wahrscheinlichkeit verheiratet bleiben. Dieses reziproke Zusammenwirken von Ehe und Glück ist also statistisch gar nicht so leicht zu fassen. Hier nachlässig zu sein, kann die Statistik erheblich verfälschen, vor allem, wenn man bedenkt, dass eine Menge Middle-Ager verheiratet und außerdem auch noch glücklich sind. Als man unter Berücksichtigung solcher Feinheiten die Auswertungen teilweise wiederholte, löste sich die U-förmige Glückskurve in Nichts auf. Vielleicht nehmen wir am besten an, dass es sie nie gegeben hat. Und gehen davon aus, dass Middle-Ager nicht trauriger werden.
In diesem Kapitel haben wir uns mit zwei ineinandergreifenden Konzeptionen beschäftigt, dem Glück und dem Wohlbefinden. Für jemanden, der tagein, tagaus mit überschaubaren Dingen wie der Struktur und dem Funktionieren von Tierkörpern zu tun hat, handelt es sich hierbei um erschreckend unklare Phänomene. Wir alle wissen aber, dass Glück und Wohlbefinden für jeden von uns lebensnotwendig sind, und die Psychologie hat uns zu diesen wissenschaftlich fast nicht greifbaren Phänomenen definitiv einen gewissen Zugang ermöglicht. Und die Auswirkungen auf unsere »neue Geschichte des mittleren Alters« sind dramatisch.Es sieht nämlich ganz so aus, als seien Middle-Ager einerseits kein bisschen trauriger als andere Menschen, und würden sich andererseits insgesamt viel wohler fühlen als der Rest der Menschheit. Und dieses mittel-alterliche Wohlbefinden beeinflusst in starkem Ausmaß, wie erfüllt uns unser Leben vorkommt, und zwar in jedem Alter. Weit davon entfernt, eine Zeit der emotionalen Abstumpfung zu sein, präsentiert sich das Middle-Age als die Lebensphase, in der sich das Gleichgewicht zwischen unseren Gefühlen und unserem Denkvermögen vollständig ausbildet.
Nachdem wir im vorigen Kapitel herausgearbeitet haben, welche Geschmeidigkeit unsere Psyche auch noch im Middle-Age besitzt, hat uns dieses Kapitel gezeigt, dass die Menschen eine positive oder negative Einstellung ihr ganzes Leben beibehalten. Wir alle reagieren zwar ständig auf Vorkommnisse um uns herum, passen aber unsere Erwartungen gleich wieder daran an. Was dazu führt, dass unsere Weltsicht trotz unablässiger Veränderungen erstaunlich konstant bleibt. Jeder Kopf startet auf seine Weise und bleibt auch in dieser Spur. Und im selben Maß, in dem die Lebensaspekte bei den Menschen ganz unterschiedlich vorkommen, hat die Evolution die Vertreter unserer Spezies mit individuell völlig unterschiedlichen Persönlichkeiten ausgestattet. Und so wie es aussieht, hat die Verschiedenartigkeit der menschlichen Persönlichkeiten davon selbst am meisten profitiert.
Jeder Mensch wirkt und klingt völlig anders als der andere, und in dieser Einzigartigkeit hat die natürliche Selektion auch unseren Umgang mit der Welt gestaltet. Und im Middle-Age erlangt dieser Umgang – die besagte Persönlichkeit – seine reifste, vollendetste Ausformung.
11. Hält die mittel-alterliche Psyche das eigentlich alles aus?
Das Gefühl der Niederlage blieb stark mit der Depression verbunden, selbst nach dem Ausschluss von Hoffnungslosigkeit […] wohingegen der Zusammenhang von Hoffnungslosigkeit und Depression durch Ausschluss von Niederlage erheblich schwächer wurde. Die Gefühle der Ausweglosigkeit und der Niederlage erweiterten unter Berücksichtigung anderer den Sozialstatus betreffenden Faktoren die Bandbreite der Depression erheblich.
Gilbert und Allan, in: Psychological Medicine , 1998
Der Mensch hat die Welt in einem Maß kontrolliert, ausgebeutet und von ihr profitiert wie keine andere Spezies, was hauptsächlich an seinem überdimensionierten Gehirn liegt. Wenngleich die Anatomen im 18. und 19. Jahrhundert fieberhaft nach einem Teil des Gehirns gesucht haben, der uns erst zu Menschen macht – dieser einen evolutionären Neuerung –, haben sie ihn einfach nicht finden können. Es scheint tatsächlich nur an der Größe zu liegen, dass unser Gehirn sich von dem aller anderen Lebewesen unterscheidet. Das menschliche Gehirn ist fünfmal größer, als man es bei einem Säugetier unserer Körpergröße vermuten würde (Hirn und Körper stehen normalerweise in klarer rechnerischer Abhängigkeit, selbst bei Arten, die von der Größe her erheblich variieren – eine Mäusehirn wiegt etwa 0,4 Gramm, ein Pottwalhirn 8000, aber bei beiden stimmt das für Säugetiere »normale«Verhältnis). Allem Anschein nach hat allein diese zusätzliche
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