Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
wohlbedachten Gefühlszustand handelt – wir sind gezwungen, den Alltagstrubel kurz zu verlassen und einen distanzierten Blick auf unser Leben zu werfen. Das führt dazu, dass man Wohlbefinden besser von kurzzeitigen Regungen wie Vergnügen, Traurigkeit, Triumph oder Enttäuschung unterscheiden kann, als das beim Glück der Fall ist. Drittens sind wir als soziale, wettbewerbsorientierte Lebewesen bei der Einschätzung unseres Wohlbefindens fast schon automatisch dazu gezwungen, den Vergleich mit anderen zu ziehen.
Wie immer man das Wohlbefinden auch beschreiben will – dadurch, dass es so vielschichtig, nach innen gerichtet, langfristig undkomparativ ist, ist es wie gemacht für die langen Fragenkataloge, die bei Psychologen so beliebt sind. Und als Allererstes haben derartige Tests gezeigt, dass die Menschen hinsichtlich dessen, was ihrer Meinung nach für das Wohlbefinden am wichtigsten ist, recht unterschiedliche Angaben machen. Bei einem der Tests kam zum Beispiel heraus, dass Middle-Ager ihre Beziehung(en) für das Wichtigste halten, gefolgt von Selbstvertrauen und Akzeptanz der eigenen Person. Andere haben sogar richtiggehende Rankings wie dieses hier ausgespuckt:
Ehe – Wohlstand – Kinder – Gesundheit – Arbeit – Sex
– Unterstützung anderer
Ich möchte auf »Ehe« ein bisschen später eingehen und mich einen Moment bei der interessanten Reihenfolge aufhalten. »Gesundheit« steht beispielsweise relativ weit hinten, aber wie wir ja wissen, haben Middle-Ager keine sonderlichen Gesundheitsprobleme und zerbrechen sich deshalb wohl auch nicht so sehr den Kopf wie alte Menschen.
»Kinder« sind auch ziemlich weit hinten – der dritte Platz ist ein wenig enttäuschend, wenn man bedenkt, welchen Raum dieser Aspekt des Middle-Ager-Daseins einnimmt, der ja letztendlich für die Weitergabe unserer Gene verantwortlich ist. Vielleicht sind die Kinder ja auch nur auf Platz drei, weil Middle-Ager das Gefühl haben, der Druck bei der Aufzucht von Kindern und Teenagern würde ihr Wohlbefinden nicht wirklich steigern . Oder sie betrachten Kinder als ein nicht zu verhandelndes Naturereignis, über das sie keinerlei Kontrolle haben (ich zum Beispiel), weshalb sie lieber Aussagen bezüglich der Faktoren treffen, die zumindest theoretisch kontrollierbar sind. Oder man betrachtet als Middle-Ager die eigenen Kinder so sehr als Teil von sich selbst, dass man gar nicht auf die Idee kommt, ihnen den Rang eines»externen« Faktors zuzugestehen. Tatsächlich ist es ja so, dass Menschen ihr Wohlbefinden viel stärker vom Erfolg, Versagen oder Glück ihrer Kinder abhängig machen als von sich selbst. Mittel-alterliches Wohlbefinden kann also teilweise durchaus »stellvertretend« sein – und neben der eigenen Einschätzung vor allem die der Kinder umfassen.
»Wohlstand« steht weit oben, wenngleich das Verhältnis von Geld und Wohlbefinden ebenso kompliziert ist wie das von Geld und Glück. Fragt man die Menschen, wie sie ihr Wohlbefinden und ihre finanzielle Situation einschätzen, nicht aber, wie sehr diese zwei Dinge ineinander spielen, dann zeigt sich, dass das Einkommen für das Wohlbefinden weniger wichtig ist als etwa gegenseitige Unterstützung in der Familie. Analog zum Anwachsen der Gehälter in den Industrieländern steigt bei den Menschen nach eigenen Angaben auch das Wohlbefinden, wobei diese Steigerung überraschend gering ausfällt – ein stärkerer Zuwachs ist beim vergleichbar wichtigeren Faktor »Arbeit« feststellbar. Dies sollte uns vielleicht dazu bewegen, eher darauf zu achten, dass jeder Arbeit hat, als darauf, soviel wie möglich abzusahnen (was, wenn ich mich recht entsinne, so oder so ähnlich auch von den Kommunisten formuliert wurde). Und wenngleich die Verbindung zwischen Geld und Wohlbefinden vage sein mag, haben Ökonomen immer wieder versucht, den »Wert« diverser Vorkommnisse im Leben zu bestimmen. Jedes Mal ergaben sich erstaunlich hohe Summen – beispielsweise wurde der Beitrag, den eine Ehe zum Wohlbefinden leistet, mit einem zusätzlichen Jahreseinkommen von etwa 80 000 Euro gleichgesetzt. Der Tod des Partners wurde hingegen mit bis zu 200 000 Miesen veranschlagt. (Man sollte allerdings beachten, dass hier nicht die Rede von einem tatsächlich existierenden Verfahren ist, mit dem eine Ehe in bare Münze verwandelt werden kann. So austauschbar sind Geld und Wohlbefinden dann auch wieder nicht.)
Es überrascht kaum, dass die Middle-Ager mit ihrem scharfen Verstand den
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