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Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre

Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre

Titel: Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Bainbridge
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»kritische Masse« uns ermöglicht, die vielen außerordentlichen Dinge zu tun, die unser Leben heute bestimmen.
    Aber kann es denn ein Zufall sein, dass genau die Spezies, deren Gehirn so groß ist, dass es komplizierte Technologien, Sprachen und riesige Staatengebilde schaffen kann, gleichzeitig auch die einzige ist, bei der manche Vertreter ganz spontan (also aus sich heraus) Krankheiten des Geistes und der Seele entwickeln? Ich sage »spontan«, denn man kann auch bei Tieren, wenn man sie schlecht genug behandelt, Zustände erzeugen, die mit Depression, Angststörung und Psychose vergleichbar sind. Tatsächlich treten bei vielen Menschen – einem nicht unerheblichen Teil der Spezies – diese Zustände ohne kausalen Zusammenhang auf. Man könnte auf den Gedanken kommen, diese Krankheiten seien entstanden, weil Größe und Komplexität des Gehirns bis ins Letzte ausgereizt sind. Vielleicht erreichen wir ja langsam den Punkt, an dem unser Gehirn derart riesig ist, dass es instabil wird.
    Und viele Leute, insbesondere jüngere, betrachten das Middle-Age als den Zeitraum, in dem Geist und Seele am meisten in Gefahr sind, sich als »menschlich«, will sagen: krankheitsanfällig, zu erweisen. Das Middle-Age wird als schwierige Zeit angesehen, als die Phase, in der wir den drei Geißeln der Menschheit am stärksten ausgesetzt sind: der Depression, der Angststörung und der Psychose. In diesem Kapitel will ich überprüfen, ob das auch stimmt. Dabei werde ich mich auf die Depression konzentrieren (mit gelegentlichen Bemerkungen zu den anderen Krankheitsbildern), denn die ist, soweit ich sehe, die Krankheit, die am stärksten mit dem Middle-Age in Verbindung gebracht wird.
    Klinische Depression im Middle-Age ist definitiv etwas, das man nicht ignorieren kann. Jeder von uns kennt Zustände großer Traurigkeit  – einer »reaktiven Depression«  –, wenn im äußerenLeben belastende Ereignisse auftreten, aber »klinische Depression« kommt mehr aus dem Inneren des Individuums. Wenngleich die Unterscheidung von »reaktiver« und »klinischer« Depression nicht ganz so leicht ist, wie die Psychiater früher dachten, macht sich die letztgenannte durch ausgedehnte Phasen konstanter Traurigkeit bemerkbar, die von so grundlosen wie lähmenden Schuld- und Minderwertigkeitsgefühlen geprägt sind. Im Gegensatz zur reaktiven Depression macht es die klinische so gut wie unmöglich, die positiven Aspekte des Lebens zu genießen, außerdem sind Menschen, die darunter leiden, oft auch von körperlichen Symptomen wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen und Verdauungsproblemen geplagt.
    Klinische Depression betrifft den gesamten Organismus und kann deshalb im Middle-Age verheerende Auswirkungen haben. Betroffene versagen im sozialen Umgang, rutschen frühzeitig in eine Altersarmut ab, neigen außerdem vermehrt zu chronischen Schmerzen, Diabetes, Herzerkrankungen und Übergewicht. Mental wirkt sich die Depression nicht allein auf die Stimmungslage aus, sie führt auch zu eingeschränkter Gedächtnis- und Kognitionsleistung und kann darüber hinaus ungewöhnliche Hirnaktivitäten verursachen, die bei Gehirn-Scans auch weit über das Krankheitsende hinaus sichtbar sind. Zum Glück haben aber Untersuchungen zum Auftreten von Depressionen in der Gesamtbevölkerung ergeben, dass sie entgegen der landläufigen Annahme im Middle-Age nicht häufiger vorkommen als sonst. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau in den Industrieländern an klinischer Depression erkrankt, liegt bis zum Middle-Age bei rund 20%. Vom Beginn bis zur Mitte des Middle-Age sinkt diese Zahl auf 16%, mit dem Ende des Middle-Age beträgt sie nurmehr 10%. Männer neigen insgesamt weniger zu Depressionen als Frauen – ich habe ja schon erwähnt, dass sie im Middle-Age emotional stabiler sind, ihren Gesundheitszustand viel zu positiv einschätzenund ganz unrealistische Überzeugungen haben, was die Entfernung (oder vielmehr Nähe) ihres eigenen Todes betrifft. Die Häufigkeit klinischer Depressionen beträgt hier bis zur Mitte des Middle-Age etwa 12%, sinkt dann auf 7% ab und beträgt im Alter nur noch 3%. Man muss sich zwar klarmachen, dass diese Zahlen auf eine insgesamt große Anzahl von Erkrankungen hinweisen, die Entwicklungen im Middle-Age aber ohne Zweifel in die richtige Richtung gehen. (Angststörungen zeigen über das Middle-Age hinweg einen ähnlichen Abfall, und auch Schizophrenie bricht im Middle-Age nicht so häufig aus wie bei Teenagern oder jungen

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