Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
optimistisch sind, andere hingegen pessimistisch, und zwar unabhängig davon, mit welchen Herausforderungen sie das Leben konfrontiert. Dafür sind messbare Hirnfunktionen verantwortlich: Gehirn-Scans zeigen, dass positiv eingestellte Menschen mehr den linken präfrontalen Cortex benutzen, die eher negativ eingestellten mehr den rechten. Diese Untersuchungen vermitteln allerdings nicht viel mehr als die reine Beobachtung, denn wir wissen dadurch noch lange nicht, ob die jeweilige Verwendung der Cortex-Hälften zu positiver oder negativer Stimmung führt, oder ob es sich eher andersherum verhält und die Stimmungslage für die Aktivierung einer der beiden Hirnhälften verantwortlich ist. Wobei es durchaus plausibel klingt, dass Persönlichkeitsunterschiede ihren Grund in verschiedenen Hirnaktivitäten haben können.
Beschäftigt man sich mit den stofflich-chemischen Vorgängen im Gehirn, stößt man auf analysierbare Veränderungen, die im Middle-Age stattfinden. Mehreren Untersuchungen zufolge scheinen Middle-Ager auf die Summe der Ereignisse um sie herum zwar insgesamt stärker zu reagieren, bei einem einzelnen Ereignis aber eine viel schwächere Reaktion zu zeigen als junge Erwachsene. Das ist ein faszinierendes Ergebnis, denn es legt nahe, dass Middle-Ager an ihr superkompliziertes Middle-Ager-Dasein im Grundeprä-adaptiert, will sagen: vorab angepasst sind. Dabei müssen wir bedenken, dass sich das Leben der Middle-Ager stärker voneinander unterscheidet als das der jungen Leute, was Beziehungen, Erfolg, Wohlstand, Selbstwahrnehmung, Herausforderungen und Verpflichtungen angeht. Um eine Adaption an ein so oder auch komplett anders aussehendes Middle-Ager-Leben zu ermöglichen, werden unsere Emotionen vielleicht durch die Ausschüttung gewisser Neurotransmitter gedämpft und kontrolliert. Denn dadurch, dass das einzelne Middle-Ager-Leben sich grundlegend (und vielleicht auch unfairerweise) von jedem anderen unterscheidet, bestünde im anderen Fall wohl die Gefahr, dass es sich zu einer emotionalen Achterbahnfahrt mit tödlichem Ausgang entwickelt. Denn das Letzte, was man im Middle-Age gebrauchen kann, ist eine Wiederkehr der Gefühle, wie Teenager sie haben – das wäre nicht nur viel zu anstrengend für uns selber, sondern auch viel zu gefährlich für die, die unserer Verantwortung obliegen.
Es sieht allerdings nicht so aus, als würde es sich hier um eine generelle mittel-alterliche Gefühlsabstumpfung handeln. Eher scheint ein grundlegender Wandel in der Art unseres Denkens und Fühlens stattzufinden. Psychologen streiten unwahrscheinlich gern über mögliche Zusammenhänge von Kognition und Emotion, wobei es tatsächlich so zu sein scheint, dass die »kognitiven« Regionen der Hirnrinde stark an Dämpfung und Kontrolle der Emotionen beteiligt sind. Regen wir uns denn nicht alle ab und zu über etwas auf, das in der Welt um uns herum passiert, nur um uns im Anschluss ganz bewusst wieder abzuregen?
Kognition kann Emotion also bis zu einem gewissen Grad kontrollieren. Das ist wichtig, denn bekanntermaßen verändern sich unsere kognitiven Fähigkeiten im Middle-Age und erreichen hier ihren Zenit. Manche Psychologen glauben, dass dieser kognitive Wandel tatsächlich für den Wandel verantwortlich ist, dem die Emotionen und damit auch das Glück unterworfen sind. Mankönnte also sagen, dass das Middle-Age der Zeitraum ist, in dem die Kognition – die Eigenschaft, die unsere Spezies so erfolgreich macht – ihre endgültige Reife erlangt und erst jetzt Emotionen wirksam dämpfen und kontrollieren kann. Es ist also nicht so, dass wir im Middle-Age dumpf werden: Eher finden die beiden großen Bereiche des menschlichen Geistes ihr Gleichgewicht. Könnte uns etwas Besseres passieren?
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Um mehr über das Glück im Middle-Age herauszufinden, haben Psychologen sich einem verwandten und dennoch ganz eigenständigen Gefühlszustand gewidmet: dem Wohlbefinden. Es hat mit dem Glück gemeinsam, dass man es genauso wenig definieren kann, aber abgesehen davon handelt es sich um eine bedeutende Sache, die sich auch wesentlich vom Glücksgefühl unterscheidet. Wer etwa Aussagen über das eigene Wohlbefinden machen will, muss eine Art Gesamteinschätzung vornehmen – also ein Gefühl entwickeln, wie zufrieden wir mit unserer Beziehung, uns selbst, unserem Leben, unseren Zielen und Fortschritten sind. Zweitens bedeutet dieser introspektive Charakter, dass es sich im Gegensatz zum Glück um einen längerfristigen und
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