Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
Geschlechtsverkehrs im mittleren Alter ab. Was zu der wichtigen Frage führt: Warum ist das so?
Der Mensch nimmt im Tierreich eine Sonderstellung auch deshalb ein, weil er Sex aus ganz unterschiedlichen Gründen haben kann. Betätigen sich auch andere Primaten sexuell, ohne ausschließlich auf Fortpflanzung aus zu sein – also etwa gesellschaftlich bedingt –, sind die Anlässe und Motive beim Menschen beinahe unerschöpflich. Wir haben Geschlechtsverkehr, um Babys zu zeugen, klar, aber auch, um eine Liebesbeziehung zu festigen, um uns besser zu fühlen oder uns zumindest anders wahrzunehmen, um Spaß zu haben, um uns von Schmerz oder Trauer abzulenken, um zu rebellieren, um zu experimentieren, um Geld zu verdienen, um Dominanz oder Unterwerfung zu demonstrieren, um neue Kommunikationswege zu ermöglichen, um der Langeweile zu entgehen … die Liste ist so gut wie endlos. Aus dem Grund haben wir Menschen auch Sex, wenn es im Hinblick auf eine Fortpflanzung sinnlos ist – in unfruchtbaren Phasen des weiblichen Zyklus, während der Schwangerschaft oder sogar nach der Menopause. Der menschliche Geschlechtsverkehr findet zu 80 oder 90% dann statt, wenn eine Befruchtung unmöglich ist – was eine Energieverschwendung sondergleichen darstellt und bei jeder anderen Spezies unvorstellbar wäre (eine Rothirschkuh kann sich im Lauf eines Jahres nur einmal paaren und dennoch ein Kitz pro Jahr zur Welt bringen – es spielt also keine Rolle, wie aufregend ihr Sexleben ist). Die erstaunlich vielfältigen Motive, denen das Sexualverhalten des Menschen unterliegt, machen esnoch schwerer, den Rückgang der sexuellen Aktivität zu untersuchen. Welche Motive sind es denn nun, die an Wirksamkeit verlieren?
Besonders kompliziert ist das Verhältnis von körperlicher Veränderung und geistigem Wandel. Viele Paare im mittleren Alter fragen sich etwa, ob ihre sexuellen Probleme körperliche oder psychische Ursachen haben – oder vielleicht auch beides. Wir wissen jetzt allerdings, warum das so ist, denn Sex ist beim Menschen – im Gegensatz zu Tieren – keine rein körperliche Aktivität, die von eindeutigen, vorhersehbaren Signalen des Gehirns gesteuert wird. Im Gegenteil, beim Menschen findet Sex so gut wie komplett innerhalb des Gehirns statt. Der Geschlechtsverkehr ist bei uns vor allem emotional, sozial oder psychisch motiviert, also muss man sich nicht wundern, dass man das Denken so schwer vom Geschlechtsakt trennen kann. Menschen mittleren Alters mögen ihre sexuellen Probleme auf körperliche Befindlichkeiten schieben (39% der Frauen leiden an Vaginaltrockenheit, 34% erreichen keinen Orgasmus; 37% der Männer leiden unter Erektionsstörungen), doch das heißt noch lange nicht, dass sie auch Recht haben. Insbesondere Männer weigern sich, den Veränderungen des mittleren Alters nicht-körperliche Hintergründe zuzugestehen, wohingegen Frauen eher bereit sind, die mentalen Aspekte anzuerkennen (so machen etwa 43% der Frauen »abnehmendes Begehren« für die Kürzungen im Sexualhaushalt verantwortlich). Männer sehen das einfacher, unkritischer und fatalistischer: Sie akzeptieren eher, dass das mittlere Alter auch den Rückgang sexueller Aktivität mit sich bringt und dass dieser Rückgang umgekehrt bedeutet, sich weniger männlich zu fühlen. Die Probleme der Frauen sind vielfältiger: Sie haben Angst, weniger attraktiv zu sein als früher, sorgen sich um eine ganze Reihe von Lebensfragen und fürchten sich zu guter Letzt auch vor dem Altern als solchem. Andererseits zweifeln sie durch denRückgang der sexuellen Aktivität nicht auch gleich an ihrer Weiblichkeit.
Meiner Ansicht nach ist die körperliche Seite vom sexuellen Wandel im mittleren Alter so gut wie nicht betroffen, wenngleich da durchaus einiges passiert. So verkleinern sich etwa die Zellansammlungen im Gehirn, die bei den meisten Säugetieren das Sexualverhalten steuern (die Hypothalamus-Neuronen). Ihre Bedeutung ist beim Menschen aber ohnehin untergeordnet, denn im Zuge der »Vergeistigung« unseres Sexualverhaltens wurden Bereiche des Gehirns wichtig, die größer und leistungsfähiger sind.
Im Middle-Age verändert sich das Sexualleben auch durch eine qualitative Abnahme der sexuellen Information, die ans Gehirn gesendet wird. Wir empfangen sexuelle Reize durch alle fünf Sinne, und in einem früheren Kapitel haben wir gesehen, in welchem Ausmaß Sehvermögen, Gehör, Geruchs- und Geschmackssinn im mittleren Alter nachlassen. Auch der Tastsinn
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