Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
Informationen mit Abstand überschauen und in einen größeren Zusammenhang bringen können, ohne sich durch Details verwirren zu lassen beziehungsweise sich in ihnen zu verlieren. So sind etwa mittel-alterliche Sekretärinnen in der Lage, längere Textabschnitte im Gedächtnis zu behalten, womit sie den Umstand ausgleichen, dass sie nicht mehr so schnell tippen können wie früher; mittel-alterliche Ingenieure hingegen können neue Informationen gut filtern, wodurch sie Probleme vereinfachen und Verwirrung vermeiden; mittelalterliche Vertreter wiederum haben ständig komplett neuartige Ideen für Verkaufsstrategien und steigern so die Gewinne, je älter sie werden.
All diese Anpassungen dienen der Reduzierung des für die Erledigung der Aufgabe erforderlichen Energieaufwands, und wie wir ja wissen, sind Middle-Ager äußerst energieeffizient. Sie können Aufgaben delegieren und Verantwortung übertragen, was vermutlich daran liegt, dass sie aufgrund ihrer Übersicht dafür prädestiniert sind, andere zu führen, insbesondere die Jungen (übrigens ein sehr beliebtes Thema bei Unternehmensberatern). Sie können nicht nur gut erklären, was getan werden muss, sondern auch, warum einzelne Aufgaben zum Erreichen des gemeinsamen Ziels wichtig sind. Und bei unseren Vorfahren hat sich alles um das Erreichen eines gemeinsamen Ziels gedreht – der Stamm musste zusammenhalten, um überleben zu können, und dabei war klar, dass Jung und Mittel-Alt die jeweils unterschiedlichen Fähigkeiten beisteuern. Ein positiver Aspekt der im Middle-Age neu gewonnenen Übersicht ist der, dass Menschen jetzt ohne Probleme klare Prioritäten und Ziele haben – was eine Eigenschaft ist, die man früher einmal »Weisheit« genannt hätte.
So stehen also große Teile des mittel-alterlichen Verhaltens –was es bedeutet, ein Mensch mittleren Alter zu sein oder mit einem solchen zu tun zu haben – in direktem Zusammenhang mit unserer evolutionären Vergangenheit. Wir sind heute auch der Ansicht, dass eine Hauptaufgabe der mittel-alterlichen Männer darin bestand, sich zeitweilig vom Stamm zu entfernen, um Nahrung zu beschaffen. Vielleicht erklärt das, warum Männer am Wochenende den Familienverbund gerne verlassen und sich ihren konkreten oder abstrakten Lieblingsbeschäftigungen widmen, sei es allein oder in der geselligen und rein männlichen Atmosphäre am Flussufer, am Sportplatz, in der Garage oder – am allerliebsten – im Hobbyraum.
Jetzt mag man sich fragen, ob dieser mittel-alterliche Kognitionswandel gekoppelt mit dem Generationenkampf der Fortentwicklung der Menschheit hinderlich sein könnte – ganz besonders in unserer modernen Welt, in der kulturelle Veränderungen so schnell stattfinden, dass die Meinungsverschiedenheiten zwischen Jung und Mittel-Alt fast ins Unermessliche angewachsen sind. Meiner Ansicht nach nicht, denn ich halte den Generationenkonflikt für gewinnbringend – er erzeugt fortwährend eine produktive, kreative Spannung in unser aller Leben. Ohne die Jungen würde sich wenig verändern, wohingegen es ohne die Mittel-Alten kein kulturelles Gedächtnis gäbe und das Leben der Menschen das reinste Chaos werden würde. Eine funktionierende Menschheit ist auf ein Gleichgewicht von Wandel und Kontinuität schlichtweg angewiesen. Und letztendlich: Was würden die Jungen denn mit all ihrer Zeit anfangen ohne die ältere Generation, gegen die sie rebellieren können?
TEIL III
Je oller, desto doller
Liebe, Sex, Kinderkriegen und das Leben jenseits der vierzig
Da fiel Abraham auf sein Angesicht und lachte und sprach in seinem Herzen: Soll mir mit hundert Jahren ein Kind geboren werden, und soll Sara, neunzig Jahre alt, gebären?
Genesis, 17.17
13. Schluss mit Sex?
(Eine Einführung)
Dass der Mensch eine durch und durch eigenartige Spezies ist, wird spätestens dann klar, wenn man sich in den Morast von Liebe und Sex begibt. Und noch komplizierter ist, das Sexualverhalten im mittleren Alter zu verstehen, denn hier kulminieren und kollidieren sämtliche Eigenarten. Sex in dieser Lebensphase ist weder so toll, dass man ins Schwärmen gerät, noch so schockierend, dass man darüber schweigt, weshalb wir uns normalerweise ins Witzereißen flüchten. Dennoch präsentieren sich Liebes- und Sexualverhalten des mittleren Alters als ein Wirrwarr aus unverständlichen, miteinander konkurrierenden Kräften.
Diesen Wirrwarr aufzulösen, wird uns über die verbleibenden sechs Kapitel beschäftigen,
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