Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
ist für eine körperliche Erregung wichtig, und er ist es, der die wahrscheinlich gravierendste Veränderung erfährt – unser Vermögen, zarte Berührungen wahrzunehmen, hat sich nämlich mit dem Middle-Age so gut wie halbiert.
Als dritte biologische Veränderung beim sexuellen Wandel des Middle-Age ist ein Absinken des Hormonspiegels festzustellen. So werden im Verlauf des Erwachsenenlebens beim Mann durchschnittlich immer weniger Androgene ausgeschüttet (Testosteron u. a.), wenngleich der Rückgang zu keinem Zeitpunkt so abrupt vonstatten geht wie bei den weiblichen Sexualhormonen in der Menopause. Wie wir noch sehen werden, gibt es einen solchen Rückgang aber keineswegs bei allen Männern, zudem ist er vielleicht gar keine so schlechte Sache – hohe Androgenwerte stehen in Zusammenhang mit aggressivem Verhalten und schwachen Leistungen, außerdem werden sie, wie Befragungen bei Frauenergeben haben, als Hinweis für eine Untauglichkeit als Sexual- und Lebenspartner gewertet.
Die körperlichen Ursachen einer abnehmenden sexuellen Aktivität sind also erstens überschätzt und können zweitens überhaupt nicht verallgemeinert werden. Viele Menschen sind im mittleren Alter sexuell überaus aktiv, manchmal sogar aktiver als in jüngeren Jahren, und oft genug sind sie mit ihrem Sexualleben jetzt auch noch viel zufriedener als vorher. Bei den meisten Middle-Agern ist die notwendige Apparatur soweit noch ganz in Ordnung – zumindest gut genug, um kein Hindernis darzustellen –, weshalb kaum anzunehmen ist, dass die Natur das Vermögen, den Geschlechtsakt vom rein Körperlichen her auszuüben, bereits im Middle-Age dem Verfall preisgeben wollte. Die »Lebensuhr« – also das genetische Programm, das unsere Entwicklung bis weit ins Middle-Age hinein steuert – hält diese sexuell ausgerichteten Mechanismen fein säuberlich am Laufen, auch wenn Paare die Fähigkeit zum Kinderkriegen längst verloren haben. Was nur ein weiterer Beweis dafür ist, dass der Geschlechtsakt beim Menschen bei Weitem nicht nur der Fortpflanzung dient.
Viel eher verändert sich die »geistige« Seite des Geschlechtslebens. Im Gegensatz zu den Kopulationsmechanismen sind die mentalen Prozesse, die beim Älterwerden bei der Sexualität ablaufen, höchst kompliziert. Befragt man Middle-Ager zu ihren Reaktionen auf die sexuellen Veränderungen, zeigen ihre Antworten, welch schmerzhafte Gedanken damit einhergehen. Frauen äußern etwa immer wieder die Befürchtung, ihre Partner könnten den Beischlaf als unbefriedigend erachten, weil sie an Attraktivität verloren haben oder ihre vaginale Muskelspannung nachgelassen hat. Diese Gründe werden von Männern allerdings selten genannt, wohingegen mangelnde Freude oder Anteilnahmeder Frau am Geschlechtsakt durchaus als Problem gesehen werden. Männer haben im mittleren Alter zunehmend Angst vor Erektionsstörungen, wobei der Stress, den sie sich dadurch machen, derlei Störungen meist überhaupt erst verursacht. Frauen wiederum haben mit dem Ausbleiben der Erektion weniger Probleme als damit, dass dieser Umstand meist zum vollständigen Sexentzug und also Verlust von Intimität führt. Ganz offensichtlich kann das Gehirn in puncto Sex mit dem Älterwerden lange nicht so gut umgehen wie der Körper.
Was bei der abnehmenden sexuellen Aktivität im mittleren Alter eine entscheidende Rolle spielt, ist unser Umgang mit dem Älterwerden als solchem. Das Älterwerden ist eine äußerst ungerechte Angelegenheit, klar, und wir alle wissen ganz genau, dass Menschen dabei einfach unattraktiver werden. Mögen manche von uns gegen Ende des Middle-Age auch immer noch passabel aussehen, hat man oft genug schon Anlass zum Mitleid, wenn die Leute gerade mal vierzig sind. Und obwohl Studien belegen, dass die Attraktivität des Gesichts nicht so schnell abnimmt wie die des Körpers, sind trotzdem beide früher oder später dem Untergang geweiht. Es stellen sich also hier drei Fragen, die für die meisten von uns wohl eher unangenehm sein dürften. Haben Middle-Ager weniger Sex, weil sie ihre Partner nicht mehr attraktiv finden? Oder haben sie weniger Sex, weil sie denken, ihre Partner finden sie weniger attraktiv? Oder haben sie weniger Sex, weil sie sich selbst weniger attraktiv finden und deshalb immer weniger in Stimmung kommen?
Dass uns bei diesen Fragen ein bisschen mulmig wird, liegt mit an dem Umstand, dass das Älterwerden eine ungerechte Angelegenheit insbesondere für Frauen ist. Allerorten
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