Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
Vorstellungen von »Männlichkeit« oder »Weiblichkeit« im Middle-Age zu Lasten der Frauen gehen. Die beiden Bezeichnungen mögen ein bisschen schwammig anmuten, aber ich verwende sie als Sammelbegriff für die oft äußerlichen Elemente, aufgrund derer man jemanden attraktiv findet, eben weil er oder sie dadurch eindeutig einem der beiden Geschlechter zuzuordnen ist. Elemente der Männlichkeit sind ausgebildete Muskulatur, ein ausgeprägtes Kinn, eine breiter Oberkörper, Gesichtsbehaarung und eine tiefe Stimme, und keines davon verändert sich mit dem Übergang zum Middle-Age. Zu den Elementen der Weiblichkeit zählen ein rundes Gesicht mit »offenen« Gesichtszügen, reine, glatte Haut, dichtes Haar, wenig ausgebildete Muskulatur, eine Taille und subkutanes Fett an den Gliedmaßen – genau betrachtet sind das die Elemente, die wir mit Jugend in Verbindung bringen. Im Middle-Age werden genau diese femininen Eigenschaften vom Alterungsprozess frontal attackiert.
Wenngleich die beiden Geschlechter im Middle-Age auf einmal ganz unterschiedlich dastehen, sind parallel dazu Kräfte am Werk, die diese Differenz ein wenig ausgleichen. So ist Intelligenz bei Frauen für Männer ein Anzeichen ihres genetischen Intaktseins. Wie wir sehen konnten, nehmen die geistigen Fähigkeiten im mittleren Alter zu, bei Frauen womöglich sogar noch mehr als bei Männern, weshalb dieser Aspekt vermutlich etwas ist, das die Attraktivität erheblich steigert. Als Zweites kommt hinzu, dass viele Männer den »noblen« Weg einschlagen und sich mit großem Aufwand um die Nachkommen einer einzigen Frau kümmern.Ob eine derartige »Monogamie« die natürliche Lebensform für einen Mann ist, werden wir uns noch ansehen, aber klar dürfte sein, dass die Neigung, für einen langen Zeitraum väterlichen Pflichten nachzugehen, über die Äonen hinweg zur Ausformung von Männern geführt hat, die Frauen mittleren Alters durchaus etwas abgewinnen können – den Frauen, mit denen sie weite Teile ihres Leben verbringen. Die dritte »ausgleichende« Kraft zwischen Männern und Frauen ist in gewisser Weise die Umkehrung der zweiten – dass nämlich Frauen oft genug viel kurzfristiger orientiert sind als man denkt. Wir werden das noch eingehender betrachten, aber man erkennt auch schon beim kurzen Hinsehen, dass es für eine Frau, die auf das Ende ihrer fruchtbaren Jahre zusteuert, einer gewissen Logik nicht entbehrt, sich spontan und auf gut Glück mit einem genetisch hochwertigeren Mann zu paaren, selbst wenn sie weiß, dass er sich eher nicht um das Kind kümmern wird.
Liegt es also wirklich am Verlust der Attraktivität, wenn im Middle-Age die sexuelle Aktivität abnimmt? Ich glaube nicht. Denn ganz offensichtlich finden Männer wie Frauen Middle-Ager des jeweils anderen Geschlechts äußerst attraktiv, und wenngleich es offenbar noch keine dahingehenden Untersuchungen gibt, nehme ich stark an, dass wir Middle-Ager in dem Maße attraktiv finden, in dem wir uns selbst dem mittleren Alter nähern. Vor zwanzig Jahren hätte ich um nichts in der Welt mit einer Vierzigjährigen verheiratet sein wollen, aber heute befinde ich mich in genau dieser Situation – und bin äußerst glücklich. Ist es also denkbar, dass Menschen im mittleren Alter einen speziellen Geisteswandel durchmachen, in dem die Wertschätzung ihres Partners – sei es in romantischer oder sexueller Hinsicht – umgewertet oder dahingehend aktualisiert wird, dass sie den anderen ungeachtet der Jahre, die vergangen sind, nach wie vor attraktiv finden? Ich habe keine Ahnung, welche neuralen Vorgänge hintereinem solchen Wandel stecken könnten, aber vom Standpunkt der Evolution aus betrachtet würde das schon ziemlich Sinn machen. Nehmen wir an, ein Paar kriegt jenseits der vierzig ein Kind und zieht es groß, bis die sechzig erreicht sind – wie vernünftig wäre es dabei, das Gehirn würde sich über diesen Zeitraum hinweg umstrukturieren, sodass der jeweilige Partner, in den man (und mit dem gemeinsam man) so viel investiert hat, einem so bezaubernd vorkommt wie eh und je.
So wie es aussieht, legen Middle-Ager also ungeachtet eines partiellen (und unregelmäßigen) Rückgangs der sexuellen Aktivität nicht nur ein überraschend ausgeprägtes Sexualverhalten an den Tag, sie sind auch überraschend attraktiv, für die eigene Altersgruppe ebenso wie für andere – überraschend auch, weil man sie, was Sexualität angeht, gern als abgenutzt und verbraucht einstuft. Ihnen
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