Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
steht es zudem frei, sich einer Sache hinzugeben, die die Evolution uns geschenkt hat. Bei den meisten Tieren ist der Geschlechtsakt äußerst kurz – bei manchen Säugetieren dauert er nicht einmal eine Sekunde –, doch beim Mensch kann er viel länger und äußerst angenehm oder gar lustvoll sein. Was verwunderlich ist, wenn man bedenkt, wie viele natürliche Feinde nur darauf warten, ihn in einem Moment mangelnder Aufmerksamkeit niederzumachen. Die Entspanntheit, mit der die menschliche Paarung vonstatten gehen kann, sagt uns eine Menge über ihre nicht auf Fortpflanzung ausgerichtete, sondern eher soziale und psychische Motivation – der menschliche Geschlechtsakt dauert lange, weil diese Komponenten so ungemein wichtig sind. Darüber hinaus bedeutet das geringfügige Nachlassen der körperlichen Fähigkeiten für Middle-Ager, dass der Geschlechtsakt länger dauert als je zuvor – worüber sich niemand ernsthaft beschweren dürfte.
Tatsache bleibt aber, dass es im mittleren Alter weniger oftzu sexuellen Handlungen kommt, was zwangsläufig bedeutet, dass wir auch weniger oft ein Baby zeugen können. Sollten Menschen etwa einen eingebauten Schutzmechanismus haben, der ihre Fruchtbarkeit vermindert? So sonderbar das auch klingen mag, werden wir doch sehen, dass eine derartige Selbstbeschränkung in Sachen Fruchtbarkeit nicht atypisch ist – ganz im Gegenteil, sie ist beim Menschen eines der vorherrschenden Themen im fünften und sechsten Lebensjahrzehnt.
14. Warum legt die weibliche Reproduktionsfähigkeit »den Schalter um«?
Die Menopause unterscheidet sich völlig von der reproduktiven Vergreisung, die bei anderen Primaten feststellbar ist.
Linda Marie Fedigan und Mary Pavelka,
The Physical Anthropology of Menopause , 1994
Bei unserer Beschäftigung mit dem Middle-Age ist die Menopause eine Art »Elefant im Zimmer«, den wir bislang erfolgreich ignoriert haben. Jetzt ist allerdings der Zeitpunkt gekommen, an dem wir seinen Stoßzähnen nicht länger ausweichen können.
Die Menopause (auch genannt »Wechseljahre« oder »Klimakterium«) hat in unserer Kultur eine recht turbulente Vergangenheit gehabt. Sie wurde zu unterschiedlichen Zeitpunkten als Resultat von »Östrogenmangel« angesehen, als Strafe für Promiskuität oder Dummheit, als selbstauferlegte Unfruchtbarkeit, als direkte Folge eines Unvermögens, sich angemessen um Mann und Kinder zu kümmern, als ärztlich zu behandelnde Störung oder sogar als etwas, das eine im 20. Jahrhundert aktive Forscherin einen »partiellen Tod« nannte. Darüber hinaus wurde immer wieder behauptet, auch Männer hätten eine Menopause zu befürchten – als eine Art Erinnerung vonseiten der Natur, dass Verfall und Tod nicht weit sind.
Mich interessiert an der Menopause, dass sie unter biologischenGesichtspunkten ungemein faszinierend ist. In vielerlei Hinsicht ist sie ein bizarres Phänomen und bestätigt, was ich über das Middle-Age geäußert habe. Sie passt hervorragend in das Bild vom Dreiklang besonders-abrupt-einzigartig – kein anderer Prozess gehört so stark zum Middle-Age, setzt so schlagartig ein, ist derart charakteristisch für unsere Spezies. Natürlich sind Hitzewallungen oder die Umstände einer Hormonersatztherapie (HET) von Belang, aber wenn man sich allein darauf konzentriert, übersieht man den biologischen Aspekt der Menopause. Bei Betrachtung ihrer geschichtlichen Entwicklung lernen wir eine Menge über die Ursprünge unserer Art. Im Folgenden werde ich sechs Annahmen widerlegen und hoffe, Ihnen auf diese Art ein neues Verständnis der Menopause zu ermöglichen.
Mythos Nr. 1: Bei vielen Arten stellen die Weibchen mit Erreichen eines gewissen Alters die Fortpflanzung ein
Sollten sie je einen Gedanken daran verlieren, dann würden die meisten Leute wohl annehmen, dass jedes Weibchen irgendwann aufhört, sich fortzupflanzen – dass die Natur es einem älteren Lebewesen erlässt, sich weiterhin mit dem Austragen und Aufpäppeln von Nachkommen verausgaben zu müssen. Tatsache ist aber, dass die Reproduktionsphase des Menschen eine Ausnahme bildet, indem die Fruchtbarkeit bei Frauen nach rund fünfundzwanzig Jahren relativ schnell nachlässt. Werden hingegen Bauernhoftiere von Wissenschaftlern derart verhätschelt, dass sie ein hohes Alter erreichen, kann man sehen, dass ihr Fortpflanzungsvermögen – Regelmäßigkeit des Zyklus, Befruchtungschancen, Lebensfähigkeit des Nachwuchses – zwar langsam nachlässt, dass ihr
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