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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
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Surina aber auch ein bisschen satt werden wollte, habe sie die Lebensmittel schließlich genommen. Andere kauften auf Pump und zahlten nie zurück. Wieder andere hätten sie beschimpft: Sie wisse doch, dass hier keiner Geld habe für so etwas. »Das war schrecklich«, sagt Surina, sie windet sich auf ihrem Stuhl. Soziales Ansehen ist das höchste Gut in der bangladeschischen Landbevölkerung, offen beschimpft zu werden eine große Schande.
    Ob sie denn Kontakt zu anderen Sales-Ladies habe? »Kaum«, sagt Surina, sie habe die anderen Verkäuferinnen nur bei den Meetings getroffen. Dort hätten sie nicht viel mitei nander gesprochen. Warum auch? Schließlich waren sie ja Kon kurrentinnen. Man habe ihr zwar nahegelegt, noch weitere Verkäuferinnen anzuwerben – »doch die Frauen, die ich kenne, hatten kein Interes se, die wollten keinen Ärger haben.« Für junge Frauen, die einen Haushalt führen müssen, sei das nicht lukrativ. »Es ist harte Arbeit und trotzdem unmöglich, davon zu leben«, sagt Surina abermals. Einmal sei versprochen worden, jede Saleslady bekäme einen Sari geschenkt. Doch als ihr Ehemann ein wenig zu spät angekommen sei, um ihn zu holen, habe es schon keine mehr gegeben. Um zu verstehen, was ein neuer Sari bedeutet, muss man sich nur Surinas zerschlissenes Tuch anschauen. An diesem Tag habe sie beschlossen, keinen Joghurt mehr zu verkaufen. Als der Lieferant sie umstimmen wollte, habe sie erwidert: Erst den Sari. Sie habe ihn daraufhin nie mehr gesehen.
    »Warum«, fragt Surina, »be kommen wir Frauen eigentlich kein Gehalt für unsere Arbeit?«
    Genau das hatte ich Ramin Khabirpour, den Geschäftsführer von Danone Deutschland, auch gefragt, als ich mich mit ihm für ein Gespräch traf.
    Warum müssen die Frauen den Joghurt eigentlich erst kaufen und werden nicht als Verkäuferinnen von Danone bezahlt? Zu teuer für Danone?
    Nein, die Löhne dort sind sehr niedrig. Der Gedanke des Mikrobusiness ist ja gerade, dass die Frauen selbstständig werden.
    Ist man nicht vor allem dann eigenständig, wenn man für seine Arbeit anständig bezahlt wird?
    Das ist unser Denken in Europa: Wir verfügen über ein soziales Netz, das uns einigermaßen zuverlässig auffängt. So ein Netz existiert in Bangladesch nicht. Wer dort auf eigenen Beinen steht, wer nicht angewiesen ist auf eine Anstellung bei einer Firma, der besitzt größere Sicherheit.
    Aber die Frauen sind so doch erst recht abhängig von Danone, sie verkaufen ja ausschließlich den Joghurt.
    Sie entwickeln Know-how, ihr Geschäft selbstständig zu gestalten. Sie erlernen Fähigkeiten, die sie anderweitig nutzen können und die helfen, sich zu emanzipieren . 361
    Als ich Surina von diesen Antworten erzähle, muss sie so laut lachen, dass die Straßenhunde im Dorf zu bellen anfangen. Ihre Nachbarn, die sich im Dunkeln um uns versammelt haben, stimmen in ihr Lachen ein.
    Schließlich sagt Surina: »Ja, ich habe allerdings etwas gelernt. Doch die Erfahrungen, die ich gemacht habe, waren sehr, sehr bitter.«
    Aber da sind doch diese schönen Bilder auf der Homepage von Danone, mit Dutzenden von glücklich lächelnden Frauen in bunten Saris, die alle den Shokti Doi in der Hand halten! Laut Grameen-Danone verkaufen 650 Salesladies den Joghurt. 362
    Ist Surina vielleicht nur ein unglücklicher Einzelfall?
    Zurück in Dhaka sitze ich im Büro von Khushi Kabir im Stadtteil Lalmatia. Sie ist erstaunt, dass ich überhaupt eine Sales-Lady gefunden habe.
    »Es hätte mich nicht überrascht, wenn es die Ladies gar nicht gibt«, sagt Khushi, »das wäre nicht das erste Mal, dass ein Konzern so etwas erfindet.« Und schöne Fotos, ja nun, die könne man ja auch stellen.
    Ist das Ganze doch nur eine Riesenseifenblase?
    Ich beschließe, ein zweites Mal nach Bogra zu reisen. Ich treffe Shahidur bin Sadar, einen Reporter, im Hotel. An seiner Seite sitzt ein großer und kräftiger junger Mann mit finsterer Miene. »Mein Bodyguard«, erklärt Shahidur ******** . Als kritischer Journalist hat er sich Feinde gemacht und wurde bereits mit dem Tod bedroht. Deshalb hat er einen Leibwächter. Und deshalb möchte er seinen richtigen Namen lieber nicht veröffentlichen. Er sagt das so fröhlich, als würde er von einem entspannten Besuch der Bundesgartenschau erzählen. Dann eröffnet er feierlich, dass er seinem Beschützer für die nächsten Tage frei gegeben habe, schaut sich um und zieht eine Pistole aus der Hosentasche:
    »Du brauchst keine Angst zu haben. Bist du schon mal

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