Wir müssen leider draußen bleiben
Motorrad gefahren?«
Zwanzig Minuten später sind wir im Dorf Chopinagar, elf Kilometer südlich vom Zentrum in Bogra. Vor einer Hütte sitzt Tarabanu Lalmia, ihr rechtes Auge ist trüb; vermutlich grauer Star. Diese Augenerkrankung beseitigt man in Europa mit einem Routineeingriff. In Bangladesch werden die Frauen, die sich keine Operation leisten können, einfach blind.
Neben ihr steht Salim Muzzaman, ein junger Mann Anfang 30. Aus ihm platzt es regelrecht heraus: »Ich bin sauer auf die Firma«, sagt er. Salim hat vier Jahre für Grameen-Danone gearbeitet, er hat den Joghurt an die Sales-Ladies und kleine Geschäfte verteilt. Dafür habe er den Joghurt für vier Taka von der Fabrik kaufen und außerdem für 250 Taka einen Rikscha-Van 363 zahlen müssen. »Ich war für alles selbst verantwortlich«, sagt er. Mindestens 300 Taka habe er draufbezahlt, anstatt von dem Geschäft zu profitieren. Nach einer Weile setzt er fort, er kenne noch elf andere Fahrer, die aus den selben Gründen gekündigt hätten. Immer wieder hätten sie nach einem Gehalt gefragt und seien stets abgewiesen worden. Jetzt ärgert er sich, dass die Lieferanten neuerdings 5000 Taka pro Monat bekommen. Wie Tarabuna verdiente auch er nur 1,5 Taka pro Joghurt. »Man darf keinen Joghurt zur Firma zurückbringen. Wenn ich nicht alle 800 verkauft habe, bin ich drauf sitzen geblieben«, sagt Salim.
So ging es auch Tarabuna: »Manchmal konnte ich nicht mal ein Viertel verkaufen.« Auch für sie sei der Job ein Verlust-Geschäft von mindestens 800 Taka 364 gewesen. Um sich die erste Ladung Joghurt zu kaufen, hat sich die Frau, die zuvor mit Saris gehandelt hat, Geld von der Familie geliehen.
Private Schulden, um Danone bei der Markteinführung behilflich zu sein.
Bei den Verkaufstrainings habe man ihnen erzählt, dass die Armen und die Gemeinschaft vom Shokti-Doi-Business profitieren würden.
Und?
Auch Tarabuna und Salim lachen ein raues Lachen. »Nein, niemand hat hier profitiert«, sagt Tarabuna. Die Armen könnten sich den Joghurt nicht leisten. Schon gar nicht für all ihre Kinder. Meist konnten sie nur einen kaufen und bettelten sie an, ihnen mehr zu schenken.
»Sie wurden sauer, wenn ich gesagt habe, dass das nicht geht. Das war sehr unangenehm«, sagt Tarabuna. Manche hätten den Joghurt auf Kredit kaufen wollen, andere hätten ihr ebenfalls Reis und Eier dafür gegeben. Als sie in der Regenzeit bei der Fabrik fragte, ob sie einen Schirm bekommen könnte, wurde das abgelehnt. Als sie um ein festes Gehalt bat, habe sie nur Kopfschütteln geerntet, stattdessen seien den Frauen Regenmäntel und Saris als Bonus in Aussicht gestellt worden. Sie selbst, sagt Tarabuna, habe nichts davon erhalten.
Ob sie noch Kontakt zu anderen Sales-Ladies habe?
Sie schüttelt den Kopf. »Manche haben Joghurt in Gebieten zu verkaufen, wo andere Frauen unterwegs waren, und versucht, diese zu übernehmen. Das hat oft Streit gegeben.«
Die Frauen, die als Drückerkolonne für einen Weltkonzern unterwegs sind, werden keine Freundinnen.
Gib den Armen Zucker:
Plastiknahrung zur Armutsbekämpfung
Salim möchte uns zu seiner Mutter bringen. Sie sei die erste Mikrokreditnehmerin in Bogra und darum fast so etwas wie eine lokale Berühmtheit. Er sagt das jetzt mit ein bisschen Stolz. Nasma Begum ist eine schöne, gepflegte Frau mit hohen Wangenknochen, sie trägt einen Sari in leuchtendem rosa und sieht bei weitem nicht so alt aus wie Surina, obwohl beide etwa gleich alt sind. Nasma Begum ist eine von den wenigen Frauen, die mir in Bangladesch begegnet sind und sagen, dass sie von Mikrokrediten profitiert haben. Sie lebt nicht in einer Blechhütte, sondern auf einem großen, gemauerten Hof mit Holztor. Im Vergleich zu den Höfen auf dem Land wirkt das regelrecht wohlhabend. Gegenüber steht eine große Blechhütte unter Palmen. Dort, erzählt Shahidur, sei Ban Ki Moon 2008 auf seinem Bangladesch-Besuch zusammen mit Yunus gewesen, um sich das Mikrokredit-Projekt anzusehen. 365 Ihm sei auch Nasma Begum vorgestellt worden. Sie gilt als eine Vorzeige-Frau, die es zu einem Vermögen und Landbesitz gebracht hat, seit sie 1989 den ersten Kredit und in den folgenden Jahren immer weitere Kredite aufgenommen hat. Hier sieht es nicht nach früherer Armut aus, schon eher nach traditionellem Mittelstand. Nasma Begum betont: »Es ist mir sehr schlecht gegangen früher.« Heute leitet sie eine Gruppe von fünf Kreditnehmerinnen. Keine der Frauen habe Probleme mit der Rückzahlung, sagt
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