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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
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sie streng. »Doktor Yunus hat hier so viel Gutes getan«, schwärmt sie und lächelt wieder. Auf meinen Reisen in den Norden und Süden des Landes, die ich bereits unternommen hatte, war mir allerdings anderes zu Ohren gekommen. Warum gehe es dann vielen Frauen noch schlechter als zuvor? Ihr Lächeln friert ein, sie zuckt mit den Schultern und sagt: »Die verwenden das Geld nicht richtig, das ist der Grund.« Und die Danone-Sales-Ladies? Warum haben die es nicht zu finanzieller Unabhängigkeit gebracht? »Die Frauen haben das falsch verstanden. Es geht um die Gesundheit von Kindern.« Sie zieht ein vielleicht siebenjähriges Mädchen aus der Gruppe von Frauen hinter ihr hervor und strahlt: »Da sehen Sie: die Kleine isst sechs bis sieben Shokti Doi jeden Tag!« Die Hälfte der Kinder in Bangladesch ist unterernährt, 36 Prozent sind unterentwickelt, doch der Anblick des Mädchens ist verstörend: sie sieht nicht gesund ernährt aus – sie ist fett.
    Übergewicht ist kein Indiz für allgemeinen Wohlstand, im Gegenteil, es ist ein Zeichen steigender Armut. Was hierzulande kaum wahrgenommen wird: Zwei von drei Übergewichtigen leben in Entwicklungsländern. Dort treten in immer mehr Familien Über- und Untergewicht gleichzeitig auf. Diabetes, Schlaganfall, Herzinfarkt und Krebs sind die Folge dieser Fehlernährung. Weltweit leiden bereits 285 Millionen Menschen an Diabetes, die WHO schätzt, dass es bis zum Jahr 2030 366 Millionen sein werden, 298 Millionen davon in Entwicklungsländern. 366 Wegen der schlechten medizinischen Versorgung in diesen Ländern wird es dort noch schwieriger sein, diese Krankheiten in den Griff zu bekommen.
    Hunger und Mangelernährung auf der einen, Übergewicht auf der anderen Seite: In der Entwicklungspolitik nennt man diesen Effekt double burden«, Doppelbelastung. 367 In Bangladesch ist das zwar noch nicht der Fall. Doch das Prinzip ist in allen armen Ländern gleich: Viele neue, industrielle Lebensmittel westlicher Konzerne wie der Shokti Doi drängen in den Entwicklungsländern auf den Markt. Erst kaufen die neuen Mittelschichten diese meist großflächig beworbenen Artikel, weil sie in ihnen Prestigeobjekte sehen. Entsprechend begehrt sind solche Produkte dann bald auch bei Armen.
    Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisiert schon lange Lebensmittelkonzerne, die ihre überzuckerten und fettreichen Produkte mit Gesundheitsversprechen veredeln: Mar garine zur Senkung des Cholesterinspiegels, Schokoriegel für gutes Knochenwachstum, gezuckerte Joghurts zur Darmpflege. 368 Solche Lebensmittel machen bald ein Viertel des Lebensmittelmarktes in Deutschland aus, obwohl es zum Beleg von deren Wirksamkeit meist nur Studien gibt, die die Konzerne selbst finanziert haben. 369 Vor allem Zucker ist ein profitabler Rohstoff: er ist ein billiger Geschmacksverstärker, der süchtig macht. 370 Auch der Shokti Doi enthält viel Zucker, da mit er den Kindern schmeckt. »Die Bangladescher haben einen ausgeprägten Hang zum Süßen und sind an ausgesprochen süßen Joghurt gewöhnt. Also experimentierte das Team von Grameen Danone mit verschiedenen Rezepten, um eine Zu ckergehalt zu erreichen, der die Dorfkinder erfreuen und zugleich ihre Gesundheit verbessern würde«, schreibt Muhammad Yunus. 371 Das ist zwar ein ernährungswissenschaftlicher Unsinn, doch wenn der »Banker der Armen« das so märchenonkelig aufschreibt, erscheint einem Danone direkt als gute Fee.
    Tatsächlich weiß bislang niemand genau, wie viel Zucker im Shokti Doi steckt. Die Vitamine und Zusatzstoffe im Joghurt stammen vom deutschen Chemieriesen BASF , der mit Yunus ein eigenes »Social Business« in Bangladesch aufbaut. Laut Danone deckt der Joghurt 30 Prozent des Tagesbedarfs eines Kindes an Vitamin A, Zink und Jod. 372 Der Organisation Global Alliance for Improved Nutrition ( GAIN ) zufolge würde der Joghurt den Ernährungsstatus von Kindern zwischen drei und 15 Jahren verbessern, die mindestens zwei Becher pro Woche essen. Es ist die bislang einzige ernährungswissenschaftliche Untersuchung zum Shokti Doi, und sie klingt ziemlich vage. Abgesehen davon, dass sich arme Familien auf dem Land nachweislich nicht zwei Becher pro Woche und Kind leisten können: GAIN ist nicht, wie Grameen behauptet, eine »unabhängige NGO « 373 , sondern erscheint viel eher wie eine Lobbyvereinigung der globalen Lebensmittelindustrie. Neben den Regierungen von USA, China, Indien, Bangladesch und diversen anderen asiatischen und afrikanischen

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