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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
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in einem der neuen, teuren Supermärkte gesehen, vor denen Wachleute stehen, um Bettler zu verjagen. Der blaue Plastikbecher ist etwa so klein wie ein »Fruchtzwerge«-Becher, auf dem blauen Deckel prangt ein Löwe, der Kraft symbolisieren soll: »Shokti Doi« heißt Kraftjoghurt. Neben dem Löwen findet sich ein stilisiertes Haus, darin das Label von Danone in bengalischer Schnörkelschrift. Es ist das Symbol von Grameen-Danone. Das Haus ist das Markenzeichen von Grameen, der Name leitet sich aus dem bengalischen Wort Gram ab, was Dorf bedeutet. Grameen Bank bedeutet Dorfbank. Haps – drei Löffelchen, und weg ist er schon, der »Joghurt der Armen«. Er schmeckt ähnlich süß wie Actimel. Badrul hängt am Handy, es klingelt ständig, auch deshalb, weil er sein ganzes Netzwerk darauf angesetzt hat, Danone-Ladies zu finden. »Keine Sorge«, sagt er immer wieder, »wir finden die.« Auf dem Rückweg wollen wir in Bogra halten, um mit ihnen zu sprechen. Und wirklich: Kurz vor der Abreise verkündet Badrul strahlend, ein Bauernführer in Bogra habe nach langer Suche eine Danone-Lady gefunden.
    Es dämmert bereits, als wir das Dorf Shaul im Bezirk Kahaloo im Bogra Distrikt erreichen. Bogra, eine der ältesten Städte Bangladeschs, ist ein Handelszentrum im Nordwesten, rund drei Millionen Menschen leben in dem ganzen Distrikt. Die Gegend ist vergleichsweise wohlhabend, dennoch sind 30 Prozent der Bewohner arm, zehn Prozent davon leben in extremer Armut. Arme haben hier zwischen 2000 und 5000 Taka (20 bis 50 Euro) im Monat zur Verfügung, sehr arme sogar weniger als 2000 Taka, sie besitzen auch kein Land, auf dem sie Nahrung anbauen könnten. Zwei Drittel der Menschen verdienen ihr Geld in der Landwirtschaft, die Löhne dort sind meist niedriger als 150 Taka (1,44 Euro) am Tag. 358
    Neben dem Dorfteich, der eher ein brackiger Tümpel ist, stehen Plastikstühle auf der hart gebackenen Erde. Davor wartet eine kleine gebeugte Frau im ausgewaschenen Sari. Sie heißt Surina und ist 55 Jahre alt, wirkt aber wie eine Greisin. Die Lebenserwartung von armen Frauen in Bangladesch beträgt 65 Jahre. 359 »Ich war von Anfang an dabei«, erzählt Surina. Drei Jahre habe sie Joghurts verkauft, dann hätte sie aufgegeben. »Es war sehr harte Arbeit«, sagt sie und erzählt von stundenlangen Märschen durch die Dörfer bei quälender Sommerhitze und durch den Monsunregen, der die Böden zu einem Schlammbad macht, in dem man knöcheltief versinkt. All das mit einigen Kilo Joghurt in einer Kühltasche über der Schulter. »Harte Arbeit war das«, sagt sie immer wieder und fasst sich an Rücken und Beine, »aber mein Leben hat sich dadurch überhaupt nicht verbessert.« Ein Händler habe ihr den Joghurt geliefert, ihm habe sie den Joghurt erst einmal abkaufen müssen. 5,5 Taka (ca. fünf Cent) habe sie pro Becher bezahlt, 50 Becher musste sie abnehmen. Sie verkaufte ihn für sieben Taka weiter, das macht einen Verdienst von 1,5 Taka pro verkauften Becher. Hätte sie alle verkauft, dann hätte sie 75 Taka verdient, zusätzlich einer Prämie von 40 Taka – umgerechnet 1,15 Euro für bis zu drei Tage Arbeit. Doch dass sie alle Joghurts verkaufen konnte, sei selten vorgekommen. Wie fast alle Menschen, die auf dem Land leben, hat auch Surina keinen Kühlschrank. Binnen drei Tagen musste der Joghurt verkauft sein, sonst wurde er schlecht. »Manchmal habe ich eine Ladung gekauft und konnte keine einzigen verkaufen«, sagt sie, und im Schein der funzeligen Öllampe auf dem Boden sieht man ein wütendes Funkeln in ihren Augen, »dann habe ich totalen Verlust gemacht.« Die Menschen, denen sie den Joghurt an der Haustür verkaufen wollte, hätten skep tisch reagiert, manche sogar unwirsch. In einem muslimi schen und patriarchalischen Land wie Bangladesch ist es ungewöhnlich, dass Frauen so lange alleine unterwegs sind, um Geschäfte zu machen, und von vielen Männern wird es nicht gern gesehen. Den teuren Joghurt – sieben Taka sind mindestens zehn Prozent dessen, was ein einfacher Landarbeiter am Tag zur Verfügung hat – hätten sich die Leute zudem nicht leisten können. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat Armut und Mangelernährung in Bangladesch noch verstärkt. Laut World Food Programme nehmen die Armen sogar noch weniger zu sich als zuvor, die Qualität ihrer Ernährung hat sich verschlechtert. 360 Erschreckend fand Surina, dass manche Kunden ihr statt Geld Reis und Eier gaben, um einen süßen Snack zu kaufen, der nicht satt macht. Weil

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