Wir müssen leider draußen bleiben
»Nein«, sagt sie, »davon habe ich noch nie gehört.« Hm.
Nächster Versuch: Ich wende mich an Kushi Kabir. Sie leitet die bangladeschische Organisation Nijera Kori. Das heißt übersetzt: »Wir machen das selbst«. Nijera Kori ist eine politische und soziale Bewegung, die marktwirtschaftliche Armutsbekämpfung ablehnt und auf Mobilisierung und Selbstermächtigung setzt. Seit 1974 kämpft sie für die Rechte von Frauen, Kleinbauern und Landlosen, für Selbstbestimmung und Ernährungsunabhängigkeit der Armen in Bangladesch. 355 Nijera Kori findet große Anerkennung in der bangladeschischen Zivilgesellschaft und in der internationalen Entwicklungsszene: 2005 war Kushi Kabir eine der 1000 Frauen, die für den Friedensnobelpreis nominiert wurden; 356 die Bewegung arbeitet mit dem Evangelischen Entwicklungsdienst ( EED ), Christian AID und der internationalen NGO Food First Information and Action Network ( FIAN ) zusammen. Außerdem sitzt Nijera Kori in Dhaka und Bogra, dort also, wo Gra meen-Danone angesiedelt ist. Das Nijera Kori Center liegt in Noongola, einem Ort im Bezirk Bogra Sadar. Auch die Joghurtfabrik befindet sich dort, ebenso Madla, das erste Verteilungsgebiet der Sales-Ladies. Beides ist nur wenige Autominuten vom Nijera Kori Center entfernt. Wenigstens Kushi Kabir müsste das Projekt kennen. Sie schreibt: »Der Joghurt ist in allen Supermärkten in Dhaka und anderen größeren Städten erhältlich. Auch in Bogra, wo er hergestellt wird. Ich werde versuchen, etwas über den Tür-zu-Tür-Verkauf auf dem Land herauszufinden, aber wir hier bei Nijera Kori haben nie davon gehört.« Zwei Wochen später: »Ich habe meine Kollegen und auch deren Familien, die in und rund um Bogra leben, gefragt, was sie über den Shokti Doi von Grameen Danone und die Grameen Ladies wissen, die den Joghurt von Tür zu Tür verkaufen. Eine Familie ist sogar im lokalen Joghurt-Business in Bogra tätig. Niemand, und ich wiederhole: niemand hat jemals von den Grameen Ladies gehört – geschweige denn welche gesehen.«
Es ist sieben Uhr morgens. Regentropfen sammeln sich an den Fenstern des klapprigen Busses. Nach elf Stunden anstrengender Fahrt mit abenteuerlichen Überholmanövern und Dauerhupen sind wir endlich in Joymonirhat, einem Dorf in Kurigram in der Division Rangpur im Nordosten Bangladeschs angekommen. Ich bin unter wegs mit der Kleinbauernbewegung Krishok Federation and Kishani Sabah (BKFS), die für Ernährungsunabhängigkeit und Geschlechtergerechtigkeit kämpft. 357 Mit ihnen will ich in die ärmsten Regionen des Landes reisen und mit Menschen sprechen, die durch Mikrokredite noch ärmer geworden sind.
Der örtliche Bauernführer Abdul Karim holt unsere vierköpfige Delegation ab: Badrul Alam, der BKFS -Geschäftsführer mit den langen, schwarzen, lockigen Haaren, Abdul Mannan Azad, der ehemalige Widerstandskämpfer im bangla deschischen Befreiungskrieg, und Shipra Rani, eine junge Frau, die sich in der Bewegung engagiert. Wir werden herzlich empfangen, BKFS ge nießt große Anerkennung bei der Landbevölkerung; die Organisation hat mehr als eine Million Mitglieder. Es ist erholsam friedlich hier auf dem Land. Auch wenn es sehr heiß ist, kann man hier Luft holen. Anders als im lauten und chao tischen Dhaka, wo man manchmal vor lauter Smog den Himmel nicht sieht. »Komm erst mal zu uns«, hatte mir Badrul nach Deutschland geschrieben, »hier sehen wir alles weitere, das kriegen wir schon hin.« Das klang recht vage für mich, die ans andere Ende der Welt reisen wollte. Auch Badrul hatte nie von den Sales-Ladies gehört; er ist ein Kritiker von Yunus und Grameen in Bangladesch. Doch schon bei unserem ersten Treffen in Dhaka wird deutlich, dass dies »Schaumermal« kein leeres Wort bleiben wird. Badrul und Mannan, die mich am Abend meiner Ankunft in meinem Hotel treffen, freuen sich , dass ich die Wahrheit über Mikrokredite und »Social Business« herausfinden möchte – ohne die Hilfe der beteiligten Konzerne. Nur sehr wenige Menschen aus dem Westen, sagt Badrul, hätten diesen Anspruch.
Wir sitzen in der Blechhütte, in einer Ecke brütet ein Huhn, ein Zicklein hüpft übermütig über die Türschwelle und zurück. Vor den Fenstern stehen Kinder auf Zehenspitzen und beobachten uns kichernd. Badrul und Mannan haben sich in ihren Lungi gewickelt, den traditionellen Männerrock. Mannan grinst und packt vier Becher Shokti Doi aus, er hat sie vor der Abfahrt in Dhaka gekauft. Dort habe ich den Joghurt selbst schon
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