Wir müssen leider draußen bleiben
verwundbarsten sind, um den Gewinn von Weltkonzernen zu steigern: das ist nachgerade abscheulich. Danone jedenfalls konnte im dritten Quartal 2011 seinen Umsatz erneut steigern, um 5,9 Prozent auf 4,81 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr. Babynahrung und medizinische Produkte fanden zwischen Juli und September in China und Indonesien besonders hohen Absatz. 352
In der Deutschlandzentrale von Danone in München holt mich Susanne Knittel zum Interview mit dem Geschäftsführer Ramin Khabirpour ab. Sie ist Head of External Communications & Corporate Social Responsibilty; »Social Business« gehört zu ihren Themen. Knittel ist eine engagierte Frau, ihre Augen leuchten, wenn sie von dem Projekt in Bangladesch spricht. Sie ist offenkundig stolz darauf, dass Danone an der berühmten »sozialen Joghurtfabrik« beteiligt ist. Klar, wer freut sich nicht, wenn der eigene Arbeitgeber so viel Gutes tut. Mitarbeiterbindung ist ein wesentlicher Aspekt der Corporate Social Responsibility. Durch Social Business, das über eine altmodische Firmenspende weit hinausgeht, binden die Konzerne ihre Beschäftigten auch emotional und moralisch an das Unternehmen. Umgekehrt: Wer würde schon gerne für einen Konzern arbeiten, dem vorgeworfen wird, für den Tod tausender Säuglinge verantwortlich zu sein? Dass Danone in einem der ärmsten Länder der Welt eine Fabrik eröffnet hat, die aus schließlich »den Armen dienen« soll – das hat doch gleich einen ganz anderen Klang.
Aber wie wahrscheinlich ist es, dass Danone auf einmal sein großes Herz für Menschen entdeckt hat? Welche Motive könnte der Weltmarktführer von Milchprodukten wirklich haben, wenn er in Bangladesch eine »soziale Joghurtfabrik« errichtet?
Schließlich führt Knittel mich zu Ramin Khabirpour. Er lehnt sich lächelnd in seinen Sessel und sagt: »Für mich ist es ganz wichtig, morgens in ein Unternehmen zu kommen, von dem ich weiß, es ermöglicht mir etwas, das ich bei hundert anderen Unternehmen nicht machen könnte.« Ich frage: »Ist das Joghurt-Projekt nicht doch nur ein erster Schritt, Bangladesch als Absatzmarkt zu erobern?« Seine Antwort: »Nein. Wir wollen in Bangladesch unsere Mission erfüllen: ›Bring health through food to as many people as possible‹. Social Business ist eine Möglichkeit dafür, so dass immer mehr Haushalte in der Lage sind, unsere Produkte zu kaufen.« 353 Gesundheit für arme Bangladeschi durch den guten Danone-Joghurt? Aus einer Fabrik, wo sie unter guten Arbeitsbedingungen in Herstellung und Vertrieb das Geld verdienen, von dem sie sich dann Joghurt kaufen können? Das will ich sehen.
Ja, wo laufen sie denn?
Auf der Suche nach den Danone-Ladies
Meine Suche nach dem gutem Joghurt aus der guten Fabrik beginnt ein gutes Jahr später in Wetzlar. Dort sitzt die deutsche Initiative Netz Bangladesch. Doch die Mitarbeiter kennen das Danone-Projekt nur aus der Zeitung. Die Initiative selbst ist nicht in Bogra aktiv, wo die Joghurtfabrik ihren Sitz haben soll, verspricht aber, sich bei den Partnerorganisationen in Bangladesch umzuhören. »Das sollte wirklich kein Problem sein, mit Frauen dort zu sprechen«, sagt der stellvertretende Geschäftsführer Peter Dietzel. Wenig später ruft mich Dietzel an, und er klingt überrascht: »Wie merkwürdig«, sagt er, »ich habe unsere Partner vor Ort angeschrieben – aber von Danone-Ladies, die den Joghurt von Tür zu Tür verkaufen, wusste niemand was.« Kann ja vorkommen – nicht überall weiß jeder alles, und schließlich leben in Bangladesch 158,5 Millionen Menschen. Wie sagt doch Muhammad Yunus so schön über seine Landsleute? »Die Leute achten nicht auf jemanden, der nebenan verrückte Dinge tut.« 354 Wochen später treffe ich in Frankfurt die bangladeschische Politikwissenschaftlerin Meghna Guhathakurta. Sie ist Geschäftsführerin der Research Initiatives Bangladesch. Diese Organisation unterstützt und finanziert Untersuchungen zur Armutsbekämpfung. Guhathakurta unterrichtete an den Universitäten von Dhaka und im britischen York; sie ist national und international bestens vernetzt, kennt die bangladeschische NGO - und Entwicklungsszene gut und auch Muhammed Yunus. »Ja, sicher kenne ich den Joghurt. Den gibt es in Dhaka im Supermarkt. Ich gebe zu, ich esse den gern, ich finde das recht praktisch mit den kleinen Bechern«, sagt sie und lacht. Als ich die Sales-Ladies erwähne und frage, ob sie Näheres über die sozialen Auswirkungen der Joghurt-Fabrik weiß, stutzt sie.
Weitere Kostenlose Bücher