Wir müssen leider draußen bleiben
dass kaum jemand sie zu Gesicht bekommt. Viele Frauen seien meist nach vier Stunden erschöpft, mehr als drei Dörfer am Tag können sie nicht bedienen. Selbst wenn jede jeden Tag drei Quadratkilometer bearbeitet, könnten sie nur ein Fünftel des Bogra Districts abdecken. 395 Um den Verkauf ihres Shokti Doi anzukurbeln, hat Grameen Danone deshalb die internationale NGO Care engagiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg verteilte diese Organsation in Deutschland die noch heute berühmten Care-Pakete. Mittlerweile arbeitet Care mit den üblichen Verdächtigen aus dem illustren Kreis der multinationalen Konzerne zusammen. Wenn man die lange Business-Partner-Liste 396 liest, glaubt man in Klaus Werner-Lobos Schwarzbuch Markenfirmen zu blättern , dem Standardwerk der Konzern kritik. Zu den Sponsoren und Partnern gehören Pharmakonzerne, die wegen Menschenversuchen (Bristol- Myers Squibb) und über teuerten Aids -Medikamenten (Abott) schwer kritisiert werden – und natürlich die Coca Cola Company, Cargill, Procter&Gamble, Walmart, McDonald’s und Kraft Foods. Care hat bereits Großkonzernen wie Unilever bei der Einführung ihrer Produkte auf den BOP -Märkten geholfen. Genau genommen fließt das Geld ahnungsloser Spender in die sozial verbrämte Markteroberung von Großkonzernen. Care schickte 19 eigene Verkaufsladies in andere Regionen Bangladeschs und in die Slums von Dhaka zum Haustürverkauf. Sie verkauften zusammen angeblich 16 000 Becher in einer Woche – mehr als 120 Stück pro Frau und Tag. Zu welchen Bedingungen und welchem Lohn, darüber ist nichts bekannt. 397
Wir fahren in den östlichen Teil des Bogra Distrikts, an den Fluss Jamuna. So heißt der bangladeschische Teil des Brahma putra, der 3100 Kilometer lange und wasserreichste Fluss Asiens, der im Himalaja entspringt. Er ist der Hauptstrom in Bangladesch, fließt weiter südlich mit Ganges und Meghna zusammen und mündet im Golf von Bengalen. Das Flussdelta macht den größten Teil des Landes aus, das deswegen immer wieder von schweren Überschwemmungen heimgesucht wird. Bangladesch hat bereits jetzt unter dem Klimawandel zu leiden. Stiege der Meeresspiegel um einen Meter an, läge ein Fünftel des Landes unter Wasser. Das bis zu 14 Kilometer breite Flussbett des Jamuna ist von wandernden Sandbänken, den Jamuna Chars, durchsetzt, auf denen kleine Dörfer gewachsen sind. Der Subdistrikt Sariakandi gehört zu den ärmsten Teilen des Bogra Districts, die Infrastruktur ist dürftig. Die Menschen dort besitzen wenig Land oder nur sandiges, auf dem sie nichts anbauen können. Noch dazu besteht die Gefahr, dass der Fluss, der immer mehr Wasser trägt, das Land mit sich reißt. Nicht wenige haben hier über Nacht Haus und Hof verloren, manche sogar mehrmals. Viele Menschen mussten deshalb wegziehen.
Hier in Sariakandi befindet sich ein Sammelpunkt von Grameen-Danone, an dem einige der insgesamt 280 Kleinbauern ihre Milch abliefern. Vor Sonnenuntergang erreichen wir die kleine Blechhütte, an der die Bauern mit ihren vollen Milchkannen stehen. Zwischen 24 und 26 Taka bekommen die Bauern für den Liter Milch, je nach Qualität, einen festen Vertrag haben sie nicht. Der Preis liegt unter dem lokalen Marktpreis von 30 bis 32 Taka pro Liter. 398 Afsal Mondul, ein älterer Mann mit Rauschebart, dicker Brille und einem schmutzigen T-Shirt, das er bauchfrei unter der hageren Brust verknotet hat, sagt, er verdiene höchstens 4 500 Taka im Monat, »das Futter für die Tiere wird teurer, das Essen auch – es reicht nicht zum Leben«. Er hat nur eine einzige Kuh, die höchstens acht Liter am Tag gibt. »Wenigstens«, sagt er, »muss ich die Milch nicht mehr zum Markt bringen, der ist viel weiter weg.« Ein anderer zeigt sich zufrieden. »Ja, ich profitiere«, sagt der deutlich jüngere Mann. Es scheint, als sei es ihm ein bisschen unangenehm, das vor Afsal Mondul zuzugeben. Er könne jeden Tag 40 Liter liefern, was wohl bedeutet, dass er mehr Kühe besitzt. Jeder zweite Bauer hat für Grameen-Danone einen Mikrokredit von 10 000 bis 20 000 Taka aufgenommen, um sich eine weitere Kuh zu kaufen. Zwar fänden die meisten Bauern ihr Einkommen zu niedrig, doch Humberg betont, sie empfänden es positiv, dieses regelmäßig zu bekommen. Damit hätten sie eine Sicherheit auch dann, wenn die Marktpreise niedrig seien; das ist in der Regenzeit der Fall. Darüber hinaus seien sie nicht an Danone gebunden und könnten die Milch auch an andere Haushalte und auf dem Markt verkaufen. 399
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