Wir müssen leider draußen bleiben
Abhängig sind sie auf gewisse Weise aber doch: Denn von dem wenigen Geld müssen sie auch noch die verzinsten Kredite bezahlen, die sie für die Milchkühe aufgenommen haben. Während Danone von den günstigen Preisen profitiert. »Ich kann meine Milch nicht von sozialen Farmen kaufen, wenn die Milch dort 40 Prozent teurer ist, sondern muss die Milch so kaufen, dass ich zwar social impact erzeuge, aber keine zu hohen Kosten habe«, sagt Jochen Ebert von Grameen-Danone. 400
Die Sales-Ladies können von ihrem Einkommen nicht leben und müssen sich in den Dörfern beschimpfen lassen. Den Armen ist der Joghurt zu teuer; stattdessen kauft ihn die urbane Mittelschicht. Ob er wirklich gegen Mangelernährung hilft, ist bislang nicht untersucht worden. Die Angestellten verdienen weniger als den staatlichen Mindestlohn. Und die Bauern müssen sich oft ebenfalls mit Preisen unter dem Marktwert zufrieden geben. Die Fabrik des börsennotierten Konzerns Danone, Jahresumsatz – man kann es nicht oft genug erwähnen – 15,2 Milliarden Euro, kann sich nur deshalb halten, weil sie die Preise so niedrig hält. Das aber ist nicht sozial, sondern Business as usual. Oder, wie es Jochen Ebert beschreibt: »Es ist einfach eine Zurechtrückung eines sozialro mantischen Ansatzes, der nur dann funktioniert, wenn ich auch Geschäftsprinzipien ›kaltblütig‹ genug einsetze.« 401 Indessen freut sich Muhammad Yunus, der stets betont, dass Social Business keine Charity-Veranstaltung sei, in seinem Buch mit dem hochtrabenden Titel Social Business. Von der Vision zur Tat : »Die Fabrik in Bogra ist inzwischen vollkommen ausgelastet, und das ist eine große Leistung. Der nächste Meilenstein wird das Erreichen des Kostendeckungspunktes sein, an dem die Einnahmen die Ausgaben decken. Bald darauf wird das Unternehmen dann einen Überschuss erwirtschaften, der in den weiteren Ausbau des Betriebs investiert werden kann.« 402 Amen. Die zweite Grameen-Danone-Fabrik soll in Kürze nahe Dhaka eröffnet werden. Vermutlich, damit die dortigen Su permärkte noch besser damit bestückt werden können. Auf die Frage, ob die Konzerne ihn nur benutzen würden, um sich ein besseres Image zu verschaffen, antwortete der Banker ungewollt sinnfällig: »Vielleicht benutzen sie mich. Vielleicht benutze ich sie aber auch. Hauptsache, etwas Gutes entsteht.« 403
Yunus freut sich im selben Buch schon auf weitere Geschäfte seines Joint Ventures mit Danone. So schreibe man nur noch »Shokti+« auf die Joghurtprodukte, »um Grameen Danone bei der künftigen Expansion auf andere Produktbereiche mehr Freiheit zu verschaffen – etwa bei in Flaschen abgefülltem Mineralwasser oder Babynahrung.« 404 Was Flaschenwasser und künstliche Babynahrung in armen Ländern anrichten, habe ich bereits beschrieben. Kritiker wie der bangladeschische Wirtschaftswissenschaftler Anu Muhammad werfen Yunus vor, gezielt multinationale Konzerne ins Land zu holen und sich gleichzeitig für den Abbau staatlicher Strukturen bei Bildung, Gesundheit, Wasser- und Energieversorgung und in der Landwirtschaft einzusetzen. Davon profitiert nicht zuletzt Yunus selbst: zu seiner »Grameen Family« gehören 40 Firmen, die in allen wichtigen Wirtschaftszweigen des Landes tätig sind.
Dabei ist es keinesfalls so, dass die Apologeten des Social Business, die den Staat ablehnen, nicht doch die Hand aufhalten, wenn es um Staatsknete geht: Lebensmittelkonzerne wie Danone versuchen bereits, in der EU durchzusetzen, dass sie für ihre Social Businesses Geld aus dem Entwicklungshilfetopf bekommen. 405 Und auch Yunus plädiert für Steuerbegünstigungen von Social Business. Der bangladeschische Handelsminister Faruk Khan stellte bei einem Social Business Kongress in Dhaka eine Steuerermäßigung von zehn Prozent in Aussicht. Dabei zahlen ja schon Unsocial Business-Firmen zu wenig Steuern in ihren Produktionsländern: Das britische Hilfswerk Christian Aid schätzt, dass den Entwicklungsländern pro Jahr 160 Milliarden Dollar dadurch verloren gehen, dass multinationale Konzerne ihre Gewinne mit fiktiven Transferpreisen oder gefälschten Rechnungen in Länder schaffen, in denen sie wenig bis keine Steuern bezahlen müssen. Christian Aid hat den Zusammenhang von Steuereinnamen und Kin dersterblichkeit in den Jahren 1960 bis 2006 ausgewertet und kommt zu dem Schluss, das jedes Jahr 35 000 Kinder weniger sterben würden, wenn die Konzerne ihre Steuern korrekt bezahlen würden. 406
Muhammad Yunus’ Zusammenarbeit
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