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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
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lokales Joghurt-Produkt. Es gab eine seriöse marktforscherische Vorbereitung, welches Produkt ein Massenphänomen in dem Land darstellen könnte.« 385 Und dennoch betont Khabirpour im Interview: »Nochmal: es gibt keine hidden agenda.« 386
    Fakt ist: 80 Prozent des Joghurts werden außerhalb Bogras vertrieben, 43 Prozent davon in den Supermärkten der großen Städte – zum Preis von zwölf Taka. In Bogra selbst liegt die Marktdurchdringung gerade einmal bei einem Prozent. 387 Für den Shokti-Doi gibt es Fernsehspots mit Yunus und glücklichen Kindern – gerichtet an die bangladeschische Mittel- und Oberschicht, die man mit solchem Socialwashing offenbar genauso erreichen kann wie die westliche Konsumelite. 388
    2008, zwei Jahre nach der Eröffnung des Joint-Ventures und ein Jahr vor der medienwirksamen Verleihung des »Vision Award« an Grameen-Danone für das »innovative, sozial und finanziell nachhaltige Unternehmenskonzept«, stand die »soziale Joghurtfabrik« vor der Pleite. Sie konnte der wesentlichen Herausforderung des Social Business nicht gerecht werden: sich selbst zu tragen. Es darf weder subventioniert werden noch Verluste machen. Während damals auf der Projekthomepage noch die Rede davon war, bis 2016 50 solcher Fabriken in ganz Bangladesch errichten zu wollen, scheiterte das Unternehmen an der Kernforderung des Social Business: Die Herstellungskosten waren höher als gedacht, denn die Lebensmittelpreise schwanken in Bangladesch extrem. 2007 hatte sich der Milchpreis nahezu verdoppelt. Die Armen konnten die fünf Taka für einen 80-Gramm-Becher nicht zahlen und – Riesenüberraschung – zu wenige Sales-Ladies fanden den Verdienst attraktiv. 389 Als die Fabrik beschloss, den Preis auf acht Taka zu erhöhen, brachen Verkauf und Vertriebsnetz komplett zusammen und der Betrieb musste von Danone mit 1,7 Millionen Euro bezuschusst werden. »Von jetzt an heißt unsere Strategie: 1. Verkaufen. 2. Verkaufen. 3. Verkaufen. 4. Kosten reduzieren«, sagte eine Mitglied des Beirats von Grameen Danone. 390 War da nicht mal von 1. Bekämpfung der Mangelernährung, 2. Bekämpfung der Armut, 3. Selbstermächtigung von Frauen und 4. Schaffung von Arbeitsplätzen die Rede?
    Was als neue Strategie angekündigt wurde, hat wenig zu tun mit »Innovation« und »Kreativität«, wie sie von den Apologeten des Sozialunternehmertums propagiert wird: billig herstellen und teuer verkaufen, das ist weiß Gott das älteste und ordinärste marktwirtschaftliche Erfolgsprinzip. Was das bedeutet, das spürten vor allem die 30 Fabrikarbeiter, die Sales-Ladies und die Armen. 133 Taka (ca. 1,30 Euro) verdienen die Arbeiterinnen bei Danone Grameen am Tag, Überstunden werden oft nicht bezahlt 391 – damit verdienen die Danone-Arbeiter sogar weniger als ein einfacher Feldarbeiter und liegen noch unterhalb des örtlichen Armutslevels. Die Sales-Ladies erhalten pro verkauftem Becher 0,6 Taka – eine halben Cent – und einen Gratis-Becher je zehn verkaufter Becher, sobald sie 50 verkauft haben. Wenn sie mindestens 24 Tage im Monat arbeiten, erhalten sie 550 Taka im Monat. Im besten Fall, das hat Kerstin Humberg herausgefunden, verdienen die Frauen 120 Taka am Tag, im schlechtesten 60. Und auch für die Armen ist der Joghurt teuerer geworden: Die Menge wurde auf 60 Gramm pro Becher reduziert, der sieben Taka kostet. 392
    20 Prozent der Sales-Ladies sollen Mikrokreditnehmerinnen sein. Um den Joghurt zu bezahlen, den sie für den Konzern mit Milliardenumsatz an der Haustür verhökern, nehmen manche Frauen zunächst einen Kredit bei der Grameen Bank auf. Eine herrliche Win-win-Situation – für Danone und die Grameen Bank. Schließlich betragen die Zinsen auf den Mikrokredit 20 Prozent. Um mit dem »Gewinn« von 0,6 Taka pro Becher allein Zinsen und Tilgung des Kredits abzubezahlen, hätten die Frauen jedes Jahr fast 10 000 Joghurts verkaufen müssen. 393 Wie kann man sich mit derart niedrigen Löhnen und zusätzlichen Schulden aus der Armut befreien? Die Antwort ist denkbar einfach: gar nicht.
    Shahidur hat mir den riesigen Helm gegeben, der um meinen Kopf schlackert, als wir mit dem Motorrad durch die Schlaglöcher rumpeln. Es gibt viele Schlaglöcher auf den Straßen Bangla deschs. Wir fahren in den Stadtteil Betgari, wo die Danone-Fab rik steht. »Vielleicht finden wir dort noch Sales-Ladies«, sagt Shahidur. Die Danone-Fabrik ist ein weißes Gebäude, von einer Mauer umgeben. »A Social Business Enterprise« und »Welcome« steht

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