Wir müssen leider draußen bleiben
auf der fadblau verwitterten Wand an der Pforte, auf der der Shokti Doi-Löwe längst verblasst ist. Er wirkt wie ein Fresco aus einer längst vergangenen Zeit. Um die Fabrik herum ist es still, man sieht keine Menschen. Den Eingang verschließt ein blau gestri chenes Metalltor, dahinter patrouillieren zwei Wachmänner. »Salam!«, ruft Shahidur fröh lich, »ich bringe hier einen Gast aus Deutschland, der schon viel Gutes über Grameen-Danone gelesen hat. Sie ist sehr interessiert an Social Business und würde sich die Fabrik gern ansehen.« Ein Wachmann kommt an den Zaun. »Nein, das ist nicht möglich. Sie müssen in der Zentrale in Dhaka fragen«, ruft der Mann durch das geschlossene Gatter.
Alles Insistieren hilft nichts, wir werden abgewimmelt, und ich schaffe es in dieser vermeintlichen Vorzeigefabrik nicht ein mal bis zum Empfangstresen. »Jetzt fällt mir nur noch eine Möglichkeit ein«, meint Shahidur und schwingt sich wieder aufs Motorrad. Wir ruckeln über den sandigen Boden zu einem Haus, indem sich die Shurajana Social Service Association befindet. Hosne Dil Afroze Ruba, eine junge, bildhübsche Frau, hat diese kleine Einrichtung gegründet. Hier, nur eine Viertelstunde Fußweg von der Danone-Fabrik entfernt, unterrichtet sie mit Freunden die Zielgruppe des Shokti Doi kostenlos in Englisch und Mathematik. Sie hat das Haus von ihrem Geld gebaut, 50 Kinder aus armen Familien kommen jeden Tag zum Unterricht in ihr Wohnzimmer. Selbst das Schulmaterial verschenkt sie. Mit dieser Unterstützung möchte sie arme Familien entlasten und Frauen helfen, ein eigenes Einkommen zu generieren. Wenn es wirklich stimmt, dass die Fabrik, wie behauptet, 1 600 Arbeitsplätze im Umkreis von 30 Kilometern geschaffen hat 394 , wäre es nur naheliegend, dass Ruba jemanden kennt, der für Grameen-Danone arbeitet. Schließlich hat sie mit vielen Müttern und Kindern der Gegend Kontakt. Doch eine Sales-Lady sei ihr noch nie begegnet. Über das Projekt selbst weiß sie wenig. Sie sagt, sie wüsste gern mehr darüber, »aber es ist wirklich schwer, Zugang zu finden und Informationen zu bekommen«. Bei ihr ist Fazlul zu Besuch, er ist ebenfalls Reporter und unterstützt Ruba bei ihrem Projekt. Er sieht das Grameen-Danone Projekt kritisch: »Warum wollen die mit uns keinen Kontakt? Das ist alles völlig intransparent.Mir scheint das alles ein riesiger Bluff«, sagt Fazlul. Dazu gehört auch die Legende, dass der französische Ex-Nationalfußballspieler Zinédine Zidane, Pate von Grameen Danone, die Fabrik eröffnet habe. Sein Autogramm prangt auf einer Gedenktafel in der Fabrik. »Zidane war nie in Bogra«, sagt Fazlul. Er sei zwar, von einem Pulk Wachleute begleitet, nach Bangladesch gekommen, habe aber nur in Dhaka an einer Feier von Yunus teilgenommen und sei nach zwei Tagen zurückgeflogen. »Vielleicht finden wir in den Dörfern jemanden, der uns was sagen kann?«, sagt Ruba. »Lasst uns spazieren gehen.«
Die schwüle Hitze nimmt mir fast den Atem, meine Beine werden schwer, es fühlt sich an, als laufe ich durch die sprichwörtliche Waschküche. Auch für Frauen, die dieses Klima gewöhnt sind, muss es sehr beschwerlich sein, kilometerweit zu laufen, mit einer dreieinhalb Kilo schweren Kühltasche über der Schulter. Wir gehen eine gute Stunde und fragen jeden, der uns über den Weg läuft, jeden Feldarbeiter, jeden Bauern, jede Frau und jedes Kind. An allen Häusern und Höfen bleiben wir stehen und fragen. Aber niemand hat je eine Sales-Lady gesehen. Auch nicht die Hochzeitsgesellschaft, die sich unter Bäumen versammelt, von denen riesige Jackfrüchte hängen. Die Männer sind damit beschäftigt, die Pferde vor die bunt bemalten und mit Blumengirlanden geschmückten Holzkutschen zu spannen. Darauf sitzen schon die Frauen in ihren festlichen Saris und haben bei dem Geruckel Mühe, die Geschenkschachteln und Tontöpfe festzuhalten. In ihnen befindet sich goldbraun glänzender Mishti Doi.
Kerstin Humberg, Beraterin bei McKinsey, hat mit ihrer Doktorarbeit »Poverty Reduction through Social Business? Lessons learnt from Grameen Joint Ventures« in Bangladesch die erste wissenschaftliche Evaluation zu Grameen Danone vorgelegt und über das Projekt des französischen Wasserdienstleiters Veolia Waters geschrieben, der armen Bangladeschi aufbereitetes Flusswasser verkauft. Ihre Arbeit hatte Humberg auf dem Vision Summit in Potsdam vorgestellt. Sie schreibt, dass 175 Sales-Ladies den Joghurt regelmäßig verkaufen. Kein Wunder,
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