Wir müssen leider draußen bleiben
Ausländische Besucher würden von Grameen-Mitarbeitern begleitet, die dann auch übersetzten. Wenn nur der kleinste negative Eindruck entstehen könnte, übersetzten die Mitarbeiter so, dass alles in einem guten Licht erscheine. 490
Der Fall des Superstars
Wie besorgt die Grameen-Bank um ihr Image ist, musste auch Tom Heinemann erfahren. Für seinen Film »The Micro-Debt« hatte er all die Propaganda-Dörfer besucht und eine traurige Realität vorgefunden. Alex Counts, der Leiter der Grameen Foundation in Washington, versuchte daraufhin, die Ausstrahlung von Heinemanns Films im norwegische Fernsehen zu verhindern. Er forderte den Dokumentarfilmer dazu auf, »sämtliche Aspekte des Films zu überprüfen, bevor Sie ihre journalistische Reputation dafür aufs Spiel setzen«. 491 Grameen hatte außerdem eine angeblich unabhängige Filmemacherin, Gayle Ferraro, mit einer Art Gegendarstellung beauftragt. Heinemann hatte in seinem Film belegt, dass die erste Kreditnehmerin von Yunus, Sufiya Begum, in bitterer Armut starb und dass das Haus, das sie angeblich von den Krediten gebaut hatte, nicht ihres, sondern das eines Nachbarn war. In ihrem Film wiederum behauptete Ferraro schließlich, dass nicht Suiya Begum diese erste Kreditnehmerin gewesen sei – sondern eine Frau namens Chaba Katun, die noch am Leben sei. Man fragt sich dann aber, weshalb Yunus immer wieder die Geschichte der Sufiya Begum erzählt – wo doch selbst bangladeschische Zeitungen von ihrem Tod in Armut berichtet hatten. Ferraro hatte schon mehrere Jubel-Filme über Mikrokredite gedreht. Als Heinemann den Film sah, erkannte er in der Übersetzerin ausgerechnet Nurjahan Begum – die Hauptgeschäftsführerin der Grameen Bank. 492 Und um seine Reputation als Journalist muss sich Heinemann nun wirklich keine Sorgen machen: Für seinen Mikrokredit-Film erhielt er im Dezember 2011 den renommierten Lorenzo Natali-Preis. 493
Auch Gerhard Klas sah sich Vorwürfen »einseitiger Berichterstattung« ausgesetzt, als sein kritisches Radio-Feature » Ein Märchen aus Bangladesch. Mikrokredite gegen Armut« im Deutschlandfunk gesendet wurde. Oikokredit, eine kirchliche Genossenschaft, die Mikrokredite vergibt und diese als »ethische Geldanlage« verkauft, Motto: »In Menschen investieren«, stellte eine »Gegendarstellung« auf ihre Homepage. 494 Der Bericht sei »einseitig negativ«. Es sei »unangemessen«, dass keine positiven Aspekte erwähnt worden seien. Das mag wohl daran liegen, dass Klas während seiner langen und inten siven Recherche keine gefunden hatte. Das Feature wurde von BR , WDR und NDR wiederholt. Schließlich schaltete sich auch Hans Reitz ein, der deutsche Vertreter von Muhammad Yunus. Er schrieb dem WDR , er wolle »einige Punkte des Beitrags in die richtige Perspektive rücken«, und warf Klas vor, er habe unter anderem die Kredite für Bettler nicht er wähnt, auf die gar keine Zinsen erhoben würden. Die allerdings machen nur einen winzigen Bruchteil des Grameen-Bank- Geschäfts aus. Es ist gewissermaßen ein CSR -Projekt, das die so ziale Ausrichtung der Bank belegen soll. Doch 95 Prozent ihrer Geschäfte macht sie mit gewerblichen Mikrokrediten. Reitz habe den WDR sogar dazu aufgefordert, den Beitrag nicht zu wiederholen. Klas’ Fragen, die er im Vorfeld an die Grameen Bank und das Grameen Creative Lab schickte, wurden von ihm hingegen nicht beantwortet. 495
Dementi und Schweigen – das sind die Reaktionen auf kritische Nachfrage. Auch Heinemanns Fragen wurden nicht beantwortet. Schließlich versuchte er, dabei kann man ihm im Film zuschauen, Yunus bei einem Kongress in Spanien zu einer Antwort zu bewegen. Doch der ließ ihn von Hans Reitz einfach abweisen.
Trotzdem sorgte Heinemanns Film für Wirbel, legte er doch nahe, dass die Grameen Bank Ende der neunziger Jahre Entwicklungshilfe der norwegischen Regierung veruntreut hatte. 100 Millionen US -Dollar seien in andere Grameen-Unternehmen umgeleitet worden; über Umwege sei das Geld auch an den kommerziellen Telefonanbieter Grameen Phone geflossen. Die Grameen-Bank bezeichnet den Bericht als »frei erfunden«, obwohl Heinemann entsprechende Beweispapiere gezeigt hatte. 496
Die Vorwürfe gegen das System der Mikrokredite waren Wasser auf die Mühlen der Premierministerin Sheik Hasina, die die Mikrokredite als »Blutsauger der Armen« bezeichnete. Die regierende liberale Partei Awami League, der auch Hasina angehört, zählt zu den Kritikern von Yunus. Unter anderem, weil er einmal
Weitere Kostenlose Bücher