Wir müssen leider draußen bleiben
sämtliche Politiker als »korrupt« bezeichnet hatte. Dafür musste er sich wegen Verleumdung vor Gericht verantworten. Durch die Zentralbank Bangladeschs wurde Yunus als Direktor der Grameen Bank abgesetzt. Angeblich aus gesetzlichen Gründen: Demzufolge müssen Bankdirektoren mit 60 in den Ruhestand gehen; Yunus war damals 70 Jahre alt. Er focht die Entscheidung juristisch an, unterlag aber in zwei Instanzen. Die Entscheidung war tatsächlich wohl eher das Ergebnis eines Machtkampfes zwischen Yunus und Hasina. 2007 gründete Yunus eine eigene Partei, die Nagorik Shakti (»Macht der Bürger«), und kandidierte für das Amt des Premierministers, zog seine Kandidatur aber wieder zurück. Unter anderem, weil die Unterstützung der Landbevölkerung längst nicht so groß war, wie er angenommen hatte. 497
Im Frühjahr 2011 erhielt Muhammad Yunus internationale Unterstützung: 26 Mitglieder des US -Kongresses, angeführt von dem Demokraten Joseph Crowley, forderten Sheikh Hasina auf, einen Kompromiss zu finden. Die französische Tageszeitung Le Monde veröffentlichte einen Aufruf für Yunus – unterzeichnet von Ex-Premier Michel Rocard und Ex-IWF-Direktor Michael Camdessus. UN-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson und Ex-Weltbank-Präsident James Wolfensohn führten die Initiative Friends of Grameen an, die von 50 NGO s unterstützt wurde. 498 Als Kontaktadresse für diese Unterstützungsbewegung findet man ausgerechnet die PR -Agentur Burson-Marsteller. 499 Sie wurde von der Grameen-Bank und ihren Anhängern damit beauftragt, den Ruf von Yunus zu retten. Burson-Marsteller ist spezialisiert auf Krisenkommunikation: sie unterstützte die Öffentlichkeitsarbeit von Union Carbide, der Tochtergesellschaft von Dow Chemical, die das Giftgasunglück im indischen Bhopal verursachten, bei dem 16 000 Menschen starben und 500 000 verletzt wurde. Burson-Marsteller beriet auch die amerikanische Söldnerfirma Blackwater nach dem Mord an irakischen Zivilisten und Regimes wie die argentinische Militärjunta, die saudische Königsfamilie und den rumänischen Diktator Nicolae Ceauçescu. 500 Feine Gesellschaft also für Yunus und seine Anhänger.
Das System der »Bank für die Armen«
Doch in den westlichen Medien erschienen Muhammad Yunus und seine »große Idee« fast durchgängig als Opfer einer politischen Verschwörung. » In der Stimme von Muhammad Yunus, 70, liegen Traurigkeit und Anspannung. Er sitzt in seiner Bank in Dhaka, der Hauptstadt Bangladeschs. Lange ist Yunus nicht gereist, der Nobelpreisträger von 2006, der die Wirtschaftswelt und Entwicklungshilfe mit seiner Idee der Mikrokredite revolutionierte. Gerichtsprozesse hielten ihn in seinem Heimatland. Yunus streitet sich mit der Regierung um seine Grameen Bank – der Wirtschaftsprofessor fürchtet, alles zu verlieren, was er aufgebaut hat. Er wurde wegen Verleumdung ange klagt und aus seinen Ämtern gejagt.« Mit diesen sentimentalen Worten beginnt in der Süddeutschen Zeitung ein Interview der Autorin Alina Fichter mit Yunus, etwas weinerlich überschrieben mit »Ich habe Angst«. 501 In einem anderen Artikel über die Absetzung Yunus greift Fichter zu ähnlich pathetischen Worten, wie sie der Friedensnobelpreisträger gern benutzt. Nachgerade eine »Feuersbrunst« habe Yunus’ Lebenswerk erfasst: »Es scheint, als sei ein Feuerfunke auf sein Erbe gefallen, dann noch einer; jetzt droht es, in den Flammen unterzugehen. Die Zentralbank ist die vorerst letzte Stimme in einem schrillen, immer lauter werdenden Chor, der ein ehrverletzendes Lied aufYunus angestimmt hat.« 502 In dem Interview verleihtYunus unter anderem seiner Sorge Ausdruck, die Politiker könnten die Gunst der Kreditnehmer gewinnen, indem sie Zinsen senkten oder Schulden erließen. Das sei zwar mehr als dringend nötig. Doch die Folge davon wäre, so Yunus: »Meine Idee ginge verloren, alles fiele auseinander. Heute gehören 97 Prozent der Anteile den armen Kreditnehmern, für die ich die Bank gründete. Wenn Politiker die Macht an sich reißen, würde die Bank zu einer Regierungsinstitution verkommen, in die Misswirtschaft und Ineffizienz Einzug hielten. Es wäre nicht mehr die Bank, die den Friedensnobelpreis bekam.«
Dass die Bank den Frauen gehört, das stehe nur auf dem Papier. Faktisch habe keine der Mikrokreditnehmerinnen auch nur den geringsten Einfluss. Das meint zumindest Sardar Amin, ehemaliger Topmanager bei Grameen, der in Bangladesch ein Buch über seine Erfahrungen mit der Vorzeigebank
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