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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
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lachen nicht. Und wirken völlig verloren.
    In ihrem Furor schiebt Roshida eine weitere Frau nach vorne. Sie wirkt blutjung; 20 Jahre sei sie alt, sagen die Frauen, sie selbst kennt ihr Alter nicht, sie könnte auch jünger sein. Shomusta hat zwei Töchter, sie ist verheiratet, doch ihr Mann hat sich aus dem Staub gemacht. Für ihn hatte sie bei der NGO TMSS einen Kredit über 10 000 Taka aufgenommen. Er kaufte sich dafür einen Rikscha-Van und wollte damitTransporte anbieten. Doch kaum einer hier konnte diese Dienstleistung bezahlen, also verkaufte er das Gefährt wieder – weit unter Preis. So geht das nicht selten, denn offiziell bekommen zwar nur Frauen die Kredite. Doch ausgegeben wird das Geld meist von Männern. Dass die Männer den Kredit verbrauchen, belegen zahlreiche Studien, unter anderem die bereits zitieren Feldforschungen von Aminur Rahman und Lamia Karim. Karim hat dies in 95 Prozent der von ihr untersuchten Fälle festgestellt. Auch Anu Muhammad sagt: Nur zehn Prozent der Frauen haben Kontrolle über ihren Kredit. 478 Das weiß die Grameen Bank ganz genau: Sie erlaubt Darlehen für die Ehemänner – und zwar ausschließlich über die Ehefrauen. So kann die Bank den Mythos der »Frauenermächtigung« aufrechterhalten.
    Eines Morgens, erzählt uns aber jetzt Shomusta, war ihr Mann weg, abgehauen nach Dhaka. Später kam ihr zu Ohren, er habe dort wieder geheiratet. Die junge Frau zeigt auf eine baufällige Hütte; sie wohnt jetzt bei ihrem Bruder, der genauso arm ist wie sie selbst. Jetzt bedrängen auch ihn die Geldeintreiber. So viel Shomusta auch auf dem Feld arbeitet, sie wird die Schulden nicht los. Die Wut der Frauen ist spürbar, und als wir gehen, schreit Shahida selbst Badrul an: »Was kommt ihr hierher, was wollt ihr hier? Ihr gebt uns auch kein Geld!« Badrul ist ehrlich erschrocken. Er sagt: »Ich bin dein Bruder! Ich kann dir kein Geld geben, ich kann nur für dich kämpfen!«
    Wie dominant die Männer im System der Mikrokredite sind, erleben wir tags darauf in dem Dorf Rajbari. Dort haben sich nur Männer versammelt, die Frauen stehen schüchtern in einiger Entfernung oder arbeiten auf dem Feld. Selbst Badrul gelingt es erst nach einer Weile, die Männer zu überreden, auch die Frauen zu Wort kommen zu lassen. »Da kannst du mal sehen«, raunt Badrul, »Frauenpower, dass ich nicht lache!« Dabei sind auch die Geschichten, die die Männer erzählen, nicht ohne. Shabeb Ali kommt abgehetzt auf den Dorfplatz, er hält uns einen abgegriffenen rosa Zettel unter die Nase. Er redet schnell und aufgebracht, seine Verzweiflung ist nicht zu übersehen. BRAC hat ihn vor Gericht bestellt, so viel weiß er, doch er kann den Zettel nicht lesen, er ist Analphabet. Die Bank wolle 5 500 Taka von ihm haben, dabei hätten er und seine Frau doch alles längst zurückbezahlt. Aber er hat keine Belege darüber, und prompt seien die Geldeintreiber ein Jahr später wieder vor der Tür gestanden. Sie hätten ihm sein Landbesitzzertifikat weggenommen. Manche Männer und Frauen, sagt er, würden hier für eine Nacht ins Gefängnis gesteckt, wenn sie nicht zahlten. Die Banken und NGO s arbeiteten mit der Polizei zusammen. Die Geldeintreiber würden, sagt Shabeb Ali, bei den Polizisten Erkundigungen über die Leute einziehen, um sie unter Druck setzen zu können.
    Schließlich traut sich Rekha, eine junge Frau vor, sie ist vielleicht Mitte zwanzig. Sie hat zwei Kredite, 12 000 Taka bei der Grameen Bank, 7 000 bei ASA . Als ihr Vater in Rangpur im Sterben lag, bat sie die Bankmitarbeiter, den Termin für die wöchentliche Rückzahlung zu verschieben, sie hätte das Geld zahlen können. Doch die weigerten sich. Als sie in Rangpur eintraf, war ihr Vater schon begraben. Sie hatte weder von ihm Abschied nehmen noch den Leichnam sehen können, ja nicht einmal an der Beerdigung konnte sie teilnehmen. Auch das habe ich in fast jedem Dorf gehört: »Selbst wenn du einen Toten im Haus hast, lassen sie dich trotzdem nicht in Ruhe.« Manchmal, erzählt Badrul, wittern die Geldeintreiber gerade dann ihre Chance: Sie verbieten den Familien, den Leichnam zu begraben, bevor sie die Raten bezahlt haben. Weil sie dann das Geld, das für das Begräbnis vorgesehen ist, den Banken und NGO s geben, bleibe ihnen oft nichts anderes übrig, als die Toten in den Fluss zu werfen.
    Mit leerem Magen in die Schuldenfalle
    Mehr als die Hälfte der Kreditnehmer kann nicht pünktlich zahlen, das hat Qazi Kholiquzzman Ahmed, der Leiter der staatlich

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