Wir müssen leider draußen bleiben
ver öffentlicht hat. Ihm zufolge haben die Mikrokreditnehmerinnen keine Ahnung, wie undemokratisch die Grameen Bank funktioniere.
»Wenn die Bank den Frauen gehört, wieso arbeiten dann so wenig Frauen in der Bank?«, fragt Muzzamel Huq. 503 Huq war einst enger Mitarbeiter von Muhammad Yunus, er hat die Grameen Bank mitbegründet. Im Mai 2011 ist er von der Regierung vorübergehend als Direktor eingesetzt worden. In Dhaka treffe ich ihn in seinem Büro. Er lacht und sagt: »Ich wollte eigentlich nie wieder etwas mit der Grameen Bank zu tun haben.« Er und Muhammad Yunus trennten sich Ende der neunziger Jahre im Streit. Muzzamel Huq legt den Untersuchungsbericht der Regierung zur Grameen Bank auf den Tisch. »Paragraph eins der Registrierung ist die Grundlage für alle Diskussion«, sagt er und schlägt die entsprechende Seite des Berichts auf. »Hier steht es: die Grameen Bank gehört mehrheitlich dem Staat.« Darauf berief sich die Regierung im Rechtsstreit. 504
Als 1983 die Grameen Bank gegründet wurde, herrschte in Bangladesch das Militärregime unter General Ershad, das auch das Grameen-Sondergesetz verabschiedete, welches der Bank zahlreiche Privilegien bescherte. Die Grameen Bank firmiert dort nicht als Bank, sondern als eine Art NGO , NGOs aber genießen das Privileg der Steuerbefreiung. Bei der Gründung der Bank hielt der bangladeschische Staat 60 Prozent der Anteile, 40 Prozent die Kreditnehmerinnen. Bis heute wird über die Besitzverhältnisse gestritten: Hasina warf Yunus vor, er benehme sich, als sei die Bank sein Privatbesitz. Yunus und seine Anhänger hingegen sagen, der Staat halte nur noch sechs Prozent Anteile. Die Zahl kommt nicht etwa zustande, weil staatliche Anteile verkauft worden wären, sondern weil sich der Anteil der Kreditnehmerinnen so vermehrt hat. Der Staat habe seine Anteile nicht erhöht, heißt es. Hasina entgegnete, die Regierung habe die Bank immer wieder mit Geld unterstützt.
Huq hatte Yunus bereits vor 15 Jahren darauf aufmerksam gemacht, dass einiges in der Bank schieflaufe. Monatelang habe er um ein Gespräch gebeten, das ihm aber stets verweigert wurde. 1997 schrieb Huq Yunus in einem Brief, dass 40 Prozent der Schuldnerinnen in Verzug mit der Rückzahlung und die Beamten in den Dörfern frustriert und verzweifelt seien. Darüber hinaus warf er Yunus mangelnde Transparenz vor, was die Schwesterkonzerne der Grameen Bank angeht. Laut Huq sitzt Yunus in 20 dieser Unternehmen im Vorstand, 30 davon werden von Managern der Grameen Bank geleitet. 505
Offiziell sind die Bank und die Unternehmen strikt voneinander getrennt. Kritiker vermuten aber, dass Gelder der Grameen Bank auch in andere Unternehmen fließen. Wenn das stimmt, würde das bedeuten, dass die Kreditnehmerinnen auch für den Aufbau des Konzernimperiums von MuhammadYunus schuften. 506
Huq beschreibt Yunus als machtbesessenen Einzelgänger, als Sonnenkönig, der alle Entscheidungen allein trifft. »Das merkt man schon daran, dass er mit 71 Jahren immer noch keinen Nachfolger aufgebaut hat.« In Dhaka sagte Huq öffentlich: »Ich denke, er ist ein guter Mann mit einem kleinen Herzen. Er kann niemand anderem Anerkennung zollen als sich selbst.« 507
Mikrokredite und Klimawandel
Meine zweite Reise mit der Krishok Federation führt in den Südwesten Bangladeschs. Dort leiden die Menschen ebenfalls bereits jetzt unter dem Klimawandel: Das Wetter ist nicht mehr vorhersehbar, der Sommer kommt früher, die Regenzeit später, Dürren, Überschwemmungen und Flusserosionen sind die Folgen. 2007 erlebte das Land eine der schlimmsten Naturkatastrophen in seiner an Desastern weiß Gott nicht armen Geschichte: wie aus dem Nichts fegte der Zyklon Sidr mit bis zu 250 Stundenkilometern über das Land, schob eine fünf Meter hohe Flutwelle vor sich her, die die Küstengebiete verwüstete. Fast 800 000 Häuser wurden zerstört, dreieinhalbtausend Menschen fanden ebenso den Tod wie eine Viertelmillion Tiere. Noch heute leiden die Menschen unter den Folgen dieser Zerstörungen.
»Jetzt wirst du etwas Neues kennenlernen, wir fahren nämlich mit dem Schiff!«, sagt Badrul. In einem älteren Lonely Planet hatte ich zwar gelesen, dass eine Flussreise zum Schönsten gehört, was man in Bangladesch unternehmen kann, allerdings auch zum Gefährlichsten: Die Schiffe sind oft in einem maroden Zustand, Sicherheitsvorkehrungen: Fehlanzeige. Regelmäßig gehen Schiffe unter, die meist völlig überladen sind. Es ist die kürzeste und günstigste
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