Wir müssen leider draußen bleiben
finanzierten Kreditanstalt PKFS, in einer Untersuchung 2007 beschrieben. Er gehört zu den Kritikern der Mikrofinanz, obwohl die PKFS selbst Geld für Mikrokredite an kleine MFI - NGO s vergibt. Die 2 500 Befragten hatten 3 500 Kredite laufen. Ein Viertel davon aus zwei unterschiedlichen Quellen, sechs Prozent sogar aus drei Quellen. Fast drei Viertel würden sich zusätzliches Geld bei Verwandten oder gar lokalen Geldverleihern zu exorbitant hohen Zinsen von bis zu 100 Prozent borgen. 479 Die Mikrokredite haben die Menschen also nicht aus den Fängen der privaten Kredithaie befreit, im Gegenteil: In ihren Untersuchungen fanden die beiden britischen Wissenschaftler David Hulme und Paul Mosley heraus, dass die Zahl der privaten Geldverleiher in Orten mit hoher Mikrokredit-Dichte sogar gestiegen sei. 480 Lila Rashid hat die 2006 gegründete staatliche Aufsichtsbehörde für Mikrokredite in Dhaka mit aufgebaut. Sie sagt: »Während vor ein paar Jahren 40 Prozent bei mehreren Kreditorganisationen verschuldet waren, sind es heute 70 Prozent.« Die Aufsichtsbehörde vergibt Lizenzen an NGO s. 521 Anträgen sei stattgegeben worden, 2 910 wurden abgelehnt. 481
M. M . Akash, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Dhaka, sagt, dass die Menschen 20 Prozent mehr verdienen müssten, um die Kredite bedienen zu können. Dabei muss die arme Bevölkerung zwischen 40 und 60 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben, sofern sie sich nicht selbst versorgen kann. Doch in vielen Fällen scheitern die Menschen nicht nur mit ihrem Business; sie nehmen Kredite auf, um sich Essen oder medizinische Versorgung zu kaufen. Aminur Rahman wiederum hat festgestellt, dass 29 Prozent der Kredite für solche Zwecke aufgewendet werden. Als Rahman 2001 in das Dorf Pas Elashin zurückkehrte, wo er bereits in den neunziger Jahren geforscht hatte, sah er, dass nur sechs von 120 Frauen Einkommen aus Unternehmen bezogen, die sie selbst gegründet hatten. 482 So rigide die Geldgeber die geliehenen Beträge wieder eintreiben, so wenig überprüfen sie offenbar, wofür die Kredite tatsächlich verwendet werden. Ein weiteres Indiz dafür, dass es womöglich gar nicht um Hilfestellung für die Armen geht.
Im kleinen Dorf Boldia im Kurigram District treffen wir eine Frau der sogenannten Vulnerable Group. Diese Menschen sind nicht nur land-, sondern auch obdachlos. Für diese Ultra-Armen gibt es Programme der Regierung, sie haben außerdem eine Lebensmittelkarte. Marjina, eine junge Frau, die zu diesen gehört, trägt ein Mädchen mit verkrüppelten Füßen im Arm. Sie sagt, sie habe bei der Organisation TMSS einen Kredit zur Behandlung ihres Kindes aufgenommen. Laut Badrul dürften diese Menschen gar keine Kredite bekommen. Doch die Mitarbeiter der Mikrofinanzorganisationen sind dazu angehalten, möglichst viel zu verkaufen. Ihr Erfolg wird daran gemessen, wie viele Kredite sie verteilen und wie viele Raten sie eintreiben.
Die hohe Rückzahlungsquote kommt auch deshalb zustande, weil die Kredite umgeschuldet werden: Wer nicht zurückzahlen kann, bekommt einfach einen weiteren Kredit – wie etwa Roshida Begum. Anu Muhammad geht davon aus, dass allenfalls 65 Prozent der Kredite tatsächlich komplett zurückgezahlt werden. 483
Blinde Wirtschaftswissenschaft
Das Scheitern der Mikrokredite als Armutsbekämpfung ist evident. Warum also hält sich die Legende, dass Mikrokredite Millionen von Menschen aus der Armut befreit haben? Warum befürworten Ökonomen, Kirchen, NGO s, Globalisierungsgeg ner und die Deutsche Bank gleichermaßen Mikrokredite? Warum reichen ein paar Fotos von lächelnden Frauen in aufwändig produzierten Bildbänden und eine Handvoll herzerfrischender Anekdoten, diese Legende aufrechtzuerhalten, obwohl es mittlerweile zahlreiche Untersuchungen über die Realität der Mikrokredite gibt? Warum treibt das sentimentale Geschwätz von Muhammad Yunus weltweit den Menschen Tränen der Rührung in die Augen, während sie blind bleiben für das Leid von Millionen Menschen? Weshalb wiederholt fast jeder Artikel die Behauptung, es sei »unbestritten«, dass Mikrokredite Millionen von Menschen aus der Armut befreit hätten, obwohl es keinerlei handfeste Belege dafür gibt? 483
Der Journalist Gerhard Klas, der in seinem kritischen Buch Die Mikrofinanzindustrie. Die Große Illusion oder Das Geschäft mit der Armut das Thema ausführlich in Bangladesch und Indien recherchiert hat, analysiert diese Blindheit folgendermaßen: »
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