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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
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irrelevant sind. Es gilt sogar die einfache Gleichung: je wohlhabender, desto gleichgültiger. Eine Untersuchung der University of California aus dem Jahr 2010 belegt, dass Reiche gehörige Defizite in Sachen emotionale Intelligenz aufweisen. Die Forscher legten dar, dass Menschen, die einer niedrigen Schicht angehören, im Vergleich zu Angehörigen der Oberschicht deutlich mehr Mitgefühl und eine bessere Menschenkenntnis besitzen.
    Es ist das eine, dass die Wirtschaftsmacht homogen ist und Führungspositionen fast ausschließlich den Angehörigen höherer Schichten zugänglich sind. Das andere ist die weitreichende gesellschaftspolitische Macht, die die Wirtschaftselite mittlerweile besitzt und zu ihren Gunsten einsetzt. Die aber muss von höherer Stelle legitimiert sein: von der Politik.
    Elitisierung der Politik
    Michael Hartmann hat beobachtet, dass sich auch die politische Klasse, die sozial bislang eher offen gewesen ist, zunehmend genauso rekrutiert wie die Wirtschaftselite. Bis zur Jahrtausendwende bestand die Regierung zu zwei Dritteln aus Nachkommen von Kleinbürgern und Arbeitern, heute ist es genau andersherum: Zwei Drittel des Kabinetts entstammen gehobenen Schichten. Arbeitsministerin von der Leyen ist die Tochter des Industriellen Ernst Albrecht, der in den siebziger Jahren Geschäftsführer von Bahlsen war und später Ministerpräsident von Niedersachsen. Thomas de Maizière ist, nach Karl Theodor zu Guttenberg – dem Spross einer der reichsten Adelsfamilien des Landes – der zweite Verteidigungsminister mit Adelstitel in Merkels Kabinett. Er entstammt einer Hugenottenfamilie, sein Vater Ulrich war Generalinspektor der Bundeswehr, sein älterer Bruder Manager bei der Commerzbank. Rainer Brüderle ist Sohn eines Textilunternehmers, Familienministerin Kristina Schröders Vater ist Oberamtsanwalt, ihre Mutter Immobilienhändlerin, ihre Ehemann Ole Schröder Jurist und Staatssekretär im Innenministerium. Außenminister Guido Westerwelle ist Anwaltssohn, Schäubles Vater Steuerberater und Landtagsabgeordneter in Baden-Württemberg. Fast ein Drittel des Kabinetts besteht aus Juristen. Das war schon unter Gerhard Schröders rot-grüner Regierung ähnlich. Zwar ist der Exkanzler selbst Sohn eines Hilfsarbeiters, und Exaußenminister Joschka Fischer der eines Metzgers. Doch der Vater von Otto Schily leitete ein Stahlwerk, die Väter von Hans Eichel und Peer Steinbrück waren Architekten, der von Wolfgang Clement Baumeister, Herta Däubler-Gmelin ist Diplomatentochter und Brigitte Zypries Tochter eines Unternehmers. Wenn sich die Elite nicht mehr nur in Wirtschaft, Justiz und Verwaltung bündelt, sondern auch noch in der Politik: Wie sehr repräsentiert sie dann noch das Volk? Wie nah sind solche Kabinettsmitglieder am Alltag und der Lebenswirklichkeit der Kleinbürger und Bedürftigen? Und hat sich nicht auch in der politischen Klasse längst ein großbürgerliches Denken durchgesetzt, das Angehörige der selben Klasse bevorzugt, wenn es um die Verteilung von Reichtum und Privilegien geht?
    Damit nicht genug: »Es gibt zunehmend einen Wechsel von einem Elitesektor in den anderen, das ist in Deutschland neu«, stellt Michael Hartmann fest. Unternehmer und Juristen gehen in die Politik, und umgekehrt Spitzenpolitiker in die Konzerne oder Interessenverbände der Wirtschaft. Und zwar nicht nur, wie früher üblich, in den Aufsichtsrat, sondern in Führungspositionen. Roland Koch war der Erste, der aus ei nem Spitzenamt der Politik in eine Spitzenposition in der freien Wirtschaft wechselte. 2010 trat der CDU -Politiker als hessischer Ministerpräsident überraschend zurück, wenig später war er Vorstandsvorsitzender des Baukonzerns Bilfinger-Berger. Geschätztes Jahresgehalt: 1,5 Millionen Euro. 231 Einen so lukrativen Job bekommt man eher nicht, wenn man sich für die Belange des kleinen Mannes einsetzt.
    Den allzu schnellen Wechsel von der Politik- in die Konzern spitze kritisierte die Antikorruptionsorganisation Transparency International heftig. Während Kochs Amtszeit als Ministerpräsident hatte das Unternehmen Bilfinger-Berger den Zuschlag für den Bau von Teilen der umstrittenen Landebahn Nordwest und anderer Einrichtungen am Frankfurter Flughafen erhalten. Auftragswert: 80 Millionen Euro. Das Land Hessen ist zu einem Drittel Anteilseigner der Flughafenbetreibergesellschaft Fra port AG , die solche Bauaufträge vergibt. Aufsichtsratsvorsitzender war damals Kochs Finanzminister Karlheinz Weimar. 232 Der

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