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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
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ehemalige Chefvolkswirt des Bundesfinanzministeriums, Markus Kerber, ist jetzt Cheflobbyist der Deutschen Wirtschaft, er fungiert als Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Diesen wolle er zur »Kommunika tionsschnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft« machen und »das Nebeneinander von Wirtschaft und Politik verbessern«. Als ob das nötig wäre. Als ob von einem schlichten »Nebeneinander« noch die Rede sein könnte. Fast alle politischen Entscheidungen der vergangenen 20 Jahre sind zugunsten der Wirtschaftselite gefallen. Angefangen vom Abbau des Sozialstaats über die Senkung der Lohnnebenkosten für Arbeitgeber bis hin zu großzügigen Steuergeschenken – von der Rettung der Banken auf Kosten der Allgemeinheit einmal ganz zu schweigen. Stets wurde von unten nach oben umverteilt. Bevor Kerber in die Politik ging, hatte er übrigens als Investmentbanker gearbeitet – unter anderem für die Deutsche Bank.
    Die Liste der Schamlosigkeiten ließe sich unendlich verlängern, und auf ihr wären nicht nur konservative und liberale Seitenwechsler zu finden. Auch eine ganze Reihe ehemaliger Minister des ersten Kabinetts Schröder, die der Wirtschaft nur allzu bereitwillig bewiesen hatten, wie gut sie deren Anforderungen erfüllen. In der Rückschau sieht die Agenda 2010 wie eine gute Bewerbungsgrundlage aus: Andrea Fischer »modernisierte« als grüne Bundesgesundheitsministerin die gesetzlichen Krankenkassen – was vor allem bedeutete, dass Leistungen gestrichen oder zumindest verteuert wurden. An die Profite der Pharmaindustrie rührte sie hingegen nicht, was sicher nicht schadete, da sie nach der Amtszeit sofort mit einem feinen Job als Pharmalobbyistin weitermachen konnte: Zunächst leitete sie in der international tätigen PR -Agentur Pleon die Abteilung Healthcare, heute ist sie selbstständige Beraterin für »Gesundheitspolitik und Gesundheitswirtschaft« 233 . Matthias Berninger, unter Rot-Grün parlamentarischer Staatssekretär für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, wechselte nach seiner Amtszeit zum US -amerikanischen Nahrungsmittekonzern Mars, um dessen Image in Europa zu verbessern. Das hat der Konzern auch dringend nötig, denn ihm wird seit Jahren vorgeworfen, dass seine Kakao-Lieferanten Bauern und Kinder ausbeuten. Die ehemalige Parteivorsitzende der »Anti-Atom-Partei« Die Grünen, Gunda Röstel, wechselte sogar in den Aufsichtsrat des Energiekonzerns EnBW, der den größ ten Atomstromanteil deutscher Energiekonzerne besaß. 234 Joschka Fischers postpolitische Karriere ist nahezu atemberaubend: unter anderem ist er Lobbyist von Europas größtem CO2-Emittenten, dem Energiekonzern RWE und berät den Handelskonzern Rewe, Siemens sowie den Autobauer BMW . Er ist außerdem für Madeleine Albrights Beratungsagentur Albright Group LLC tätig, deren Kunden streng geheim gehalten werden. 235
    Nur um das noch einmal zu verdeutlichen: Die ehedem demokratisch gewählten Volksvertreter profitieren jetzt mit ihren lukrativen Posten in der Wirtschaft finanziell davon, dass sie eine Politik gegen die Interessen weiter Teile der Gesellschaft gemacht haben. Dabei sind Politiker eigentlich deswegen verpflichtet, einer regulären Arbeit nachzugehen, damit sie unabhängig bleiben.
    Besonders anstößig erscheint in der Reihe das Engagement des sogenannten Sozialdemokraten Wolfgang Clement: Als Bundesarbeitsminister hatte er den gesetzlichen Rahmen für Leiharbeit liberalisiert, die zeitliche Befristung wurde abgeschafft. Gefühlte zwei Minuten nach seiner Amtsaufgabe saß Clement im Aufsichtsrat des fünftgrößten Zeitarbeitsunternehmens Deutscher Industrieservice ( DIS ). Als dieser vom Schwei zer Konzern Adecco, heute Weltmarktführer für Personaldienst leistungen (Umsatz: 18,7 Mrd. Euro) aufgekauft wurde, übernahm er den Vorsitz des von Adecco finanzierten Adecco Instituts zur Erforschung der Arbeit, um die gute Sache der Leiharbeit voranzubringen. 236 Diese moderne Form des Sklaventums – gleiche Arbeit für weniger Lohn und ohne soziale Sicherheit – boomt, seitdem Rot-Grün sämtliche Beschränkungen aufgehoben hat. Die Branche machte 2010 einen Umsatz von 26 Milliarden Euro. 237
    Grünen-Politiker wie Cem Özdemir, Omid Nouripour und Katrin Göring-Eckardt sind sogar Mitglieder des Elitebunds Atlanikbrücke, deren 500 Miglieder von 267 Vertretern der Wirtschaft dominiert werden. Mitglieder dort sind auch Jürgen Großmann ( RWE -Vorstandsvorsitzender), Hilmar

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