Wir müssen leider draußen bleiben
die mächtigste Stiftung Deutschlands. 295 Sie hält 77,6 Prozent des Aktienkapitals der Bertelsmann AG . Die Grundsätze der Stiftung sind geprägt von den Leitgedanken des Unternehmertums und der Idee der Leistungsgerechtigkeit: »Fundament der Stiftungsarbeit ist die Überzeugung, dass Wettbewerb und bürgerschaftliches Engagement eine wesentliche Basis für gesellschaftlichen Fortschritt sind.« 296 Nach dem Antritt der Regierung Schröder 1998 veröffentlichte die Stiftung in der Wirtschaftszeitschrift Capital den » Wirtschaftspolitischen Forderungskatalog für die ersten hundert Tage der Regierung« . Zentrale Forderungen: Ab schaffung der Arbeitslosenversicherung binnen zehn Jahren und Kürzung der Sozialhilfe. Senkung der Löhne um 15 Prozent und Reduzierung des Kündigungsschutzes. Mittelfristig eine vollständige Übertragung der Lohnnebenkosten auf den Arbeitnehmer. 297 Sowohl Schröder als auch Merkel haben sich schon von der Stiftung beraten lassen, die sich parteipolitisch unabhängig gibt.
Die Stiftung wird heftig kritisiert: Der Autor und ehemalige SPD -Berater Albrecht Müller beklagt, dass sie »die neoliberale Ideologie in die Gesellschaft« transportiere. 298 Im Tagesspiegel schrieb Harald Schumann: »Die Experten der Bertelsmann Stiftung sind auf höchster Ebene beteiligt, als Berater, als Moderato ren – und als Antreiber. Von den Kultusministerien bis zum Kanzleramt, von den Kommunalverwaltungen bis zum Amt des Bundespräsidenten gibt es kaum eine politische Behörde, die nicht mit der Stiftung kooperiert.« 299 Eine externe, unabhängige Kontrolle der Stiftung gebe es hingegen nicht. Die Bertelsmann-Stiftung erstellt unter anderem das Standort-Ranking, in dem sie – nach selbst festgelegten Kriterien – die Wachstums- und Beschäftigungsaussagen der wichtigsten Industriestaaten bewertet. Deutschland steht dort regelmäßig auf dem letzten Platz – und Schweden hinter den USA , deren Staatsquote niedrig ist. »Dass es den meisten Schweden weit besser geht als der Mehrheit der Amerikaner, ficht die Standortmesser nicht an«, schreibt Schu mann. Der Journalist Thomas Schuler hat in seinem Buch Bertelsmann Republik Deutschland. Eine Stiftung macht Politik den Einfluss der Stiftung auf die Arbeitsmarktreform untersucht. Die Stiftung gründete etwa eine interne Arbeitsgruppe, in der ein siebenseitiges Strategiepapier mit dem Titel Zur Diskussion um die Reform von Arbeitslosen- und Sozialhhilfe erstellt wurde. Darin stand: »In der Arbeitsgruppe gab es einen Konsens über das oberste Ziel: die Reduzierung und Vermeidung der Hilfebedürftigkeit. Alle anderen Ziele – Transparenz und Bürgerfreundlichkeit, Kundenorientierung und Akzeptanz – müssen dahinter zurückstehen, damit es keine Zielkonflikte gibt.« Die Folien fanden sich als Sachverständigenbeitrag in den Kommissionsmaterialien wieder. 300 Die Stiftung schickte ein Positionspapier mit den wichtigsten Punkten an Helga Spindler, Expertin für Sozial- und Arbeitsrecht, eine Kritikerin neoliberaler Politik. Ihre Antwort lautete: »Eine Ungerechtigkeit im bisherigen System kann ich wirklich nicht erkennen, wohl aber, dass die sozialen Rechte von Bürgern immer weniger berücksichtigt werden und sich ihre materielle Lage immer mehr verschlechtert. Aber ich habe den Eindruck, dass das bei Ihren Überlegungen eine mehr nachgeordnete Rolle spielt.« 301 Ihre Kritik blieb ungehört. Im August 2002 überreichte Peter Hartz den 344 Seiten langen Abschlussbericht der Kommission an Gerhard Schrö der. Die FAZ druckte einen Bericht, der die Reformen erläuterte. Autor: Frank Frick von der Bertelsmann Stiftung. Einen Monat zuvor war im Spiegel eine Geschichte über die Konzepte von Hartz geschrieben worden. Einzige Quelle auch hier: Frank Frick. Kritische Gegenstimmen: keine. 302 Durch die Veröffentlichungen in diesen Leitmedien bekam die PR -Veranstaltung die Weihen der Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit.
Leiharbeit: der moderne Sklavenhandel
»Wir reden heute darüber, wie wir mit den Personal-Service-Agenturen die Zeitarbeit von einem Trampelpfad zu einem guten Weg für Langzeitarbeitslose entwickeln können, damit sie in den ersten Arbeitsmarkt hineinkommen. [ … ] Damit die Zeitarbeit angenommen wird, muss sie aus der Schmuddelecke heraus. Sie muss gesellschaftlich akzeptiert werden. Deshalb werden wir die gesamte Reglementierung des Arbeitsnehmerüberlassungsgesetzes abschaffen.« Mit diesen Worten kündigte Thea Dückert,
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