Wir nannten ihn Galgenstrick
zurückkehrend, erschien es ihm bequemer, im seifegewordenen Gehirn das Wort zu suchen, mit dem er Mabels Laden vergleichen wollte. Peldora. Mabels Ramschladen. Paldora. Gewürzhandlung oder Drogerie. Oder alles zusammen: Pendora.
Über der Seifensiederei siedete hinreichend der Schaum. Dennoch bürstete er fast leidenschaftlich mit dem Pinsel. Das kindische Spektakel der Bläschen gewährte ihm die helle Freude eines großen Kindes, die ihm wie ein billiger Likör schwer und zäh ins Herz stieg. Eine neue Anstrengung im Aufspüren der Silbe hätte genügt, daß das Wort platzte, reif und brutal; daß es an die Oberfläche jenes dickflüssigen, trüben Gewässers seines spröden Gedächtnisses stieg. Doch diesmal wie bei den vorigen Malen würden sich die zerstreuten, demontierten Teilchen eines Systems nicht genau zu einem organischen Ganzen zusammenfügen, und so schickte er sich an, für immer auf das Wort zu verzichten: Pendora!
Und es war an der Zeit, daß er jene nutzlose Suche aufgab, denn - beide hoben den Blick und begegneten sich mit den Augen - sein Zwillingsbruder hatte begonnen, mit dem schäumenden Pinsel das Kinn mit frischem bläulichen Weiß zu bedecken, wobei er mit der linken Hand - er ahmte ihn mit der rechten nach - sanft und exakt den steilen Bereich allmählich bedeckte. Er wandte den Blick ab, und die Geometrie der Zeiger war - so erschien es ihm - mit der Lösung eines neuen Theorems der Angst beschäftigt: acht Uhr achtzehn. Sie machte es sehr langsam. Und so, in der festen Absicht, rasch fertig zu werden, brachte er die gehorsame Hornklinge unter die Beweglichkeit des kleinen Fingers.
Damit rechnend, daß die Arbeit binnen drei Minuten beendet sein würde, hob er den rechten (linken) Arm bis zur Höhe des rechten (linken) Ohrs, wobei er die Überlegung anstellte, daß nichts so schwierig sein müsse, wie sich auf die Weise zu rasieren, wie es das Spiegelbild tat. Von da hatte er eine ganze Reihe kompliziertester Berechnungen abgeleitet, um die Geschwindigkeit des Lichts festzustellen, die Hin- und Rückreise fast gleichzeitig machte, um jede Bewegung nachzuvollziehen. Doch der Ästhet in ihm siegte über den Mathematiker nach einem Kampf, der nahezu der Quadratwurzel der Geschwindigkeit entsprach, die er hätte feststellen können, und das Denken des Künstlers wandte sich den Bewegungen der Klinge zu, die unter den verschiedenen Lichthieben grünblauweiß schimmerte. Rasch - nun lebten der Mathematiker und der Ästhet in Frieden - führte er die Schneide auf der rechten (linken) Wange bis zum Meridian der Lippe hinunter und bemerkte mit Befriedigung, daß die linke Wange des Bildes zwischen ihren Schaumrändern sauber war.
Er hatte die Klinge noch nicht abgeputzt, als aus der Küche der säuerliche Geruch von Siedfleisch hereinzog. Er fühlte ein Zittern unter der Zunge und spürte den Sturzbach leichten dünnen Speichels, der ihm den Mund mit dem kraftvollen Geschmack von zerlassener Butter füllte. Gedünstete Nieren. Endlich vollzog sich ein Wandel in Mabels verfluchtem Laden. Pendora. Auch nicht. Das Geräusch der Drüse in der Soße vermischte sich in seinem Ohr mit der Erinnerung an hämmernden Regen, tatsächlich dieselbe wie die am Tagesanbruch. Daher durfte er Stiefel und Regenmantel nicht vergessen. Nieren in Soße. Kein Zweifel.
Keiner seiner Sinne verdiente soviel Mißtrauen wie sein Geruchssinn. Doch über seine fünf Sinne hinaus und wenn auch jenes Fest nicht mehr als der Optimismus seiner reizbaren Schleimhäute gewesen war, erwies sich die Notwendigkeit, so rasch wie möglich fertig zu werden, in diesem Augenblick als die dringendste Notwendigkeit seiner fünf Sinne. Genau und schnell - der Mathematiker und der Künstler zeigten sich, die Zähne - fuhr er mit der Klinge von vorne (hinten) nach hinten (vorne) bis zum (rechten) linken Mundwinkel, während er mit der linken (rechten) Hand die Haut glättete und so den Weg der Metallklinge von vorne (hinten) nach (vorne) hinten, von oben (oben) nach unten erleichterte und so - beide keuchend - die gleichzeitige Arbeit beendete.
Doch als er bereits fast fertig war und die letzten Schaber auf der linken Wange mit der rechten Hand vornahm, sah er unvermittelt seinen eigenen Ellbogen gegen den Spiegel. Er sah ihn groß, befremdend, unbekannt, und bemerkte entsetzt, daß über dem Ellbogen andere, gleichfalls große und gleichfalls unbekannte Augen weit aufgerissen die Richtung des Messers suchten. Jemand ist dabei, meinen
Weitere Kostenlose Bücher