Wir nennen es Politik
richtig machen kann. Dass ohne einen selbst alles vor die Hunde geht.
Dieses Beispiel ist viel zu einfach, weil es nur einen einzigen Aspekt herausgreift, wie Machteliten entstehen. In Wirklichkeit ist der Prozess natürlich viel komplizierter.
Je länger jemand wie Otto die Rolle eines Entscheidungsträgers hat, desto besser kennt er die anderen Leute imDorf, die man für den Bau einer Brücke braucht. Die Handwerker und Händler trifft er abends in der Dorfkneipe, handelt mit ihnen Sonderpreise aus. Wenn das Dorf sich entschließt nach der Brücke eine größere Versammlungshalle zu bauen, gibt es für alle Beteiligten einen guten Kandidaten für diese Aufgabe. Er leitet das nächste Projekt für die Stadt. Weil er seine bisherigen Geschäftspartner für fähig hält, gibt er ihnen die wichtigen Aufträge für das Gebäude. Nicht weil er jemanden bevorzugen will, sondern aus Überzeugung, das Richtige zu tun. Und vielleicht beschäftigt er einige seiner Verwandten, die gerade einen Job brauchen. Immerhin ist es sein Projekt, warum sollte er das nicht entscheiden dürfen? Unter den Dorfbewohnern, die nicht zu seinen Freunden gehören, wird sich jetzt vielleicht Unmut regen, sie fühlen sich ungerecht behandelt und verstehen nicht, warum dieser in ihren Augen selbstgerechte und korrupte Bauer ein Bauvorhaben für das Dorf leiten darf. Vielleicht gelingt es ihnen, beim nächsten Mal jemand anderen zu finden, der aus ihrer Sicht besser geeignet ist, ehrlicher, fairer, mit frischen Ideen.
Unsere tapferen Dorfbewohner werden alle paar Jahre feststellen, dass sie wieder Pech hatten und immer nur falsche Personen auswählen, um ihr Vorhaben zu planen und zu verwalten, solange sie daran glauben, dass es Menschen gibt, die für solche öffentlichen Ämter aufgrund ihrer Persönlichkeit ganz besonders geeignet sind. Und irgendwann werden sie frustriert sein und der festen Überzeugung, bei jedem dieser »Politiker« handle es sich um ein opportunistisches Schlitzohr. Ich glaube, dass Politikerweder bessere noch schlechtere Menschen sind. Wir übertragen ihnen, wenn wir sie wählen, Verantwortung, und deshalb können wir von ihnen erwarten, dass sie zu uns ehrlich sind. Aber wir können nicht von ihnen erwarten, dass sie aufhören, Menschen zu sein. Der Bauer aus unserem Beispieldorf hat gute Absichten, er setzt sich für eine gemeinsame Sache ein. Aber er hat auch persönliche Bindungen, Bedürfnisse und Schwächen. Wie bei richtigen Amts- und Mandatsträgern verschwinden diese nicht auf magische Weise nach der Annahme einer Wahl. Auch seine Fähigkeiten werden nicht plötzlich gesteigert.
Jetzt stellen wir aber fest, dass offensichtlich irgendetwas schiefläuft. Diese ganz normalen Menschen bekommen Verantwortung und Macht von uns übertragen. Sie gewöhnen sich daran, wichtige Entscheidungen zu treffen und ihre Spielräume auch für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. Wie die meisten Menschen das eben tun würden.
Wenn ich glaube, dass Politiker nicht schlechter oder besser sind als der Rest der Bevölkerung, dann soll das nicht heißen, dass wir uns mit dem, was sie tun, zufriedengeben müssen. Aber um etwas zu verbessern, reicht es nicht, nach besseren Politikern zu suchen. Stattdessen haben wir Menschen immer nach Wegen gesucht, bessere Politik zu machen. Eine bessere Politik bedeutet ein System, dessen Struktur möglichst effiziente, kontrollierbare und ehrliche Arbeit zulässt. Für mich umfasst so ein System drei Ebenen.
1. Feste Regeln
Das System fußt auf einer festen Grundlage, die von keinem Politiker gebrochen werden darf. Dazu gehören die Regeln der Demokratie an sich, die Menschenrechte, die Verfassung und alles andere, das unserer Gesellschaft einen Rahmen gibt und die Möglichkeit, sich zu schützen.
2. Dynamische Prozesse
Um die Verkrustung von Hierarchien und die Herausbildung von Machteliten zu begrenzen, braucht es dynamische Wechsel in Positionen. Ebenso braucht es dynamische Prozesse der öffentlichen Willensbildung, um Regierungsarbeit kontrollierbar zu halten. Die Dynamik von politischen Prozessen wird durch Punkt 1 – die stabilen Regeln – ermöglicht.
3. Transparenz
Mit diesem Schlagwort ist die Nachvollziehbarkeit des politischen Handelns gemeint, die erst die Kontrollierbarkeit und die Einhaltung der Regeln möglich macht.
Ich führe alle drei Punkte getrennt aus, obwohl sie fest zusammengehören und ineinandergreifen.
Feste Regeln
Feste Regeln sorgen dafür, dass wir wissen, worauf
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