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Wir nennen es Politik

Wir nennen es Politik

Titel: Wir nennen es Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Weisband
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wir uns im gesellschaftlichen Zusammenleben verlassen können. Sie bilden den Rahmen, in dem die gesamte Politik funktionieren kann. Verschiedene Regierungsformen kann man auch als unterschiedliche Sets von Regeln bezeichnen. Aber auch feste Regeln müssen an technische und gesellschaftliche Gegebenheiten angepasst werden. »Fest« nenne ich sie trotzdem, um den Unterschied zu tagtäglicher Entscheidungsfindung im politischen Betrieb zu betonen. Für diese tägliche Entscheidungsfindung können wir in unserer vernetzten Welt flüssigere, schnellere und breitere politische Teilhabe erlauben. Wie genau die aussehen könnte, darauf gehe ich später ein. Zunächst müssen wir uns aber ansehen, welche Rahmenbedingungen wir haben müssen, um solche dynamischen Systeme zu benutzen. Wenn wir uns frei bewegen wollen, brauchen wir einen Raum. Einen Raum bauen wir, indem wir zunächst Wände einziehen. Durch Regeln erzeugen wir einen politischen Raum. Das ist nur oberflächlich ein Widerspruch zu dem Prinzip der Freiheit. Freiheit bedeutet für mich, sich nicht auf Schritt und Tritt kontrollieren zu müssen und Bürgerzu gängeln, weil sie irgendwann etwas Dummes entscheiden könnten. Es geht darum, von Anfang an für alle klare und nachvollziehbare Rahmen zu ziehen, innerhalb derer man keine Kontrolle braucht und kein Misstrauen herrscht. Wenn ich zum Beispiel Eislauf auf einem See erlaube und eine Abgrenzung da mache, wo das Eis zu dünn wird, ist das Eislaufen viel entspannter und freier. Obwohl der Platz, wo man fährt, kleiner ist.
    Welche Eigenschaften soll also politischer Raum haben, in dem sich möglichst alle möglichst frei entfalten können?
    Zunächst sollte man vermeiden, dass irgendjemand zu viel Macht ansammelt. Macht entsteht immer dann, wenn Menschen von anderen Menschen abhängig sind. Weil das in einer Gesellschaft praktisch immer der Fall ist, kann man Macht nicht einfach »abschaffen«. Unser Ziel ist es, Macht möglichst gut zu reglementieren, zu verteilen und nachvollziehbar zu machen. Dafür sind in unserem heutigen System schon ganz gute Mechanismen vorgesehen.
    Zum Beispiel haben wir die Gewaltenteilung. Das Prinzip wurde schon im 17. Jahrhundert entwickelt, als man sich Gedanken darüber machte, wie man Machtmissbrauch möglichst verhindern könnte. Durch die Trennung von Gesetzgebung, Rechtsprechung und ausübender Gewalt kann niemand allein beschließen, die Wohnung seiner Exfreundin durchsuchen zu lassen. Entweder man ist bei der Polizei – dann bräuchte man dafür als Exekutive den Beschluss eines Richters, also der Judikative. Oder man ist selbst Richter – doch dann muss die Durchsuchung vonErmittlern beantragt werden und man darf nicht selbst in die Wohnung. Die Gesetzgebung formuliert abstrakt die Regeln die gelten sollen (zum Beispiel für Wohnungsdurchsuchungen). Diese Regeln, setzt die Exekutive durch, die Judikative urteilt auf ihrer Basis, aber zugleich sind beide auch selbst an die Regeln gebunden. Die Idee ist, dass die drei Kräfte sich gegenseitig kontrollieren.
    Ein kleines Problem ergibt sich dabei. Die stärkste Kraft im Parlament, einem legislativen Organ, bildet zumeist auch die Regierungsfraktion, also die Leitung der Exekutive. Darum ist es häufig so, dass Exekutive und Legislative Hand in Hand arbeiten. Wir möchten die Macht also nicht nur in ihrer Reichweite beschränken, sondern auch in der Zeitspanne, um so Machtmissbrauch zumindest zeitlich einzudämmen.
    Macht auf Zeit ist eines der wichtigsten Prinzipien einer Demokratie. Zur regelmäßigen Legitimation von Repräsentanten haben wir Wahlen. Sie erlauben uns, nach klaren Regeln zu bestimmen, wer gewisse Aufgaben erfüllen soll. Das gibt uns nicht nur im Vorhinein eine Auswahl an Kandidaten, sondern auch einen Weg, Amtsträger, die zu viele Leute verärgern, wieder abzusetzen. Damit sichern wir uns ab und schaffen für die Amtsinhaber eine Motivation, gute Arbeit zu leisten. Wenn sie sich gegenüber den Bewohnern rechtfertigen und sich regelmäßig zur Wahl stellen müssen, werden die Interessen der Bevölkerung, oder zumindest einer Mehrheit, zu ihren eigenen, wenn sie wiedergewählt werden wollen. Das ist zumindest die Idee. Umgesetzt wird sie auf verschiedene Weisen. In Deutschland wählen mittlerweile in einigen Bundesländerndie Wahlberechtigten ihre Bürgermeister direkt, in anderen tut dies noch der Stadt- oder Gemeinderat. Mit der Fortentwicklung der Gesellschaft entwickeln wir auch unsere Staatsformen und

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