Wir nennen es Politik
während irrelevante Reize unterdrückt werden. Zum Beispiel bekommen Sie im Moment kaum mit, was in Ihrem Sichtfeld außerhalb der Buchseite so rumsteht. Bis ein böser Clown von der Seite auf Sie zuspringt und als sehr relevante Information viele Nervenzellen in ihrem Gehirn feuern lässt.
Wenn wir Netze bauen, bauen wir also auch Filter. Filter sind im Informationszeitalter unglaublich wichtig. Denn obwohl wir so viel Wissen zur Verfügung haben, kann keiner die Wikipedia auswendig. Wir können all das Wissen einfach gar nicht behalten. Auf den Großteil davon müssen wir verzichten. Wir müssen ihn ausblenden, bis er eines Tages für uns relevant wird. Ansonsten wärenwir einfach nicht alltagsfähig. Es geht also nicht darum, jede Information zu verarbeiten, sondern gute Ideen zu verbreiten. Ich habe schon angesprochen, wie schwer es zurzeit ist, eigene Ideen in die Politik einzubringen. Habe ich eine Idee, muss ich mein Leben danach ausrichten, diese Idee an die richtigen Menschen heranzutragen. Die althergebrachte Politik besteht aus vielen Netzwerken. Offiziellen und inoffiziellen. Letztere werden abfällig auch Seilschaften genannt. Die meisten klassischen Beziehungsnetzwerke sind recht unflexibel und verändern sich nur sehr langsam. Wenn ich politisch etwas erreichen will, muss ich die richtigen Leute kennen. Die lerne ich aber oft nur dann kennen, wenn ich aus einem bestimmten sozialen Umfeld komme. Wenn ich aus einer reichen Familie komme und auf einer guten Schule war, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass ich die richtigen Leute kennenlerne, als wenn ich aus mittellosen Verhältnissen stamme. Das heißt, eine Idee hat verschiedene Wertigkeit, je nachdem, aus welchem Milieu sie kommt.
Anders im Internet. Hier ist man nach Wunsch erst mal anonym oder pseudonym unterwegs. Es zählt, wie gut ein Gedanke ist, nicht von wem er kommt. Wenn Kommunikation unabhängig von der Quelle gleich behandelt wird, nennt man das Plattformneutralität. Den Begriff prägte der Blogger Michael Seemann in Anlehnung an den Begriff der Netzneutralität. Was wiederum bedeutet, dass Telekommunikationsunternehmen verschiedene Daten und Netzwerkteilnehmer im Internet gleich behandeln sollen. Die großen Netzanbieter versuchen aber immer wieder, ihre Netze künstlich zu verlangsamen, um dann Geld fürdie schnellere Datendurchleitung verlangen zu können. Wegzölle waren schon im Mittelalter ein lukratives und dubioses Geschäft, das den freien Warenverkehr massiv behindert hat. Auch die Politik hat versucht das Internet zu »regulieren«, um die Kommerzialisierung des Netzes zu fördern. Menschen, die die Dynamik des Netzes verstanden haben, kämpfen seither öffentlich für Netzneutralität und gegen Versuche, das Netz zu kontrollieren. Der sogenannten Netzgemeinde ist klar, dass durch die offenen Strukturen des Netzes Egalität und relative Machtfreiheit entstehen. Die breite Popularität des freien Internets hat es der Menschheit erstmals ermöglicht, wirklich freie Kommunikation und Meinungsäußerung zu betreiben. Heute muss niemand Journalist bei einer Zeitung sein, um einen Kommentar zu einem Thema zu verfassen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Im Internet steht eine wissenschaftliche Publikation völlig gleich neben einer Promi-Homepage und auch die Kolumne eines interessanten Jungbloggers ist nur einen Klick entfernt. Während viele das als Problem betrachten, sind das erst die Bedingungen, unter denen wirklich kreative Kommunikation zwischen allen Menschen zustande kommt. Denn je mehr Input wir haben, desto wichtiger wird das Wichtige sein, das wir aus dem Unwichtigen filtern. Und der Input soll nicht danach gewichtet sein, wer ihn einbringt oder was für seine Weiterleitung bezahlt wurde. Wenn es um Lösungen geht, darf kein guter Ansatz verpasst werden. Deshalb brauchen wir die Neutralität des Netzes.Das Internet besteht aus sehr vielen sehr unterschiedlichen Plattformen wie zum Beispiel Facebook, YouTube, E-Mail, Wikipedia, Wikileaks oder Spiegel Online. Und umgekehrt ist das Netz natürlich nicht unsere einzige Kommunikationsplattform. Die Grenze zwischen Onlineund Offline-Kommunikation verschwimmt zunehmend. Ich lache jedes Mal, wenn mich jemand fragt, wie viele Stunden am Tag ich online bin. Ich bin nicht online und nicht offline. Ich habe ein Handy in der Tasche und darüber betreibe ich praktisch ständig Kommunikation mit realen Menschen. Ich bin mit anderen Menschen vernetzt. Ich
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