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Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit

Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit

Titel: Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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Rezepten, die Franzosen nannten ihn Franche-Comté, das ist der Name dieser Gegend. Dir läuft das Wasser im Munde zusammen, wenn du ihn nur riechst. Ein bisschen nussig, ein bisschen wie die wilden Wiesen des Jura. Er wird in riesigen Laiben hergestellt. Am Anfang, in den ersten Tagen der Gefangenschaft, hat man uns schlecht behandelt, nach der endlosen Reise, aber da wir Staatsfeinde von großer Bedeutung waren, konnte man uns schlecht verhungern lassen, nicht wahr, also gab es reichlich Brot, Käse und Wein. Nach der langen Reise war esdie beste Mahlzeit! Was für ein starker Geschmack! Und genug von allem, wirklich genug. Nur Albert jammerte herum, er wollte warme Suppe, und Franz war mit seinen Nerven längst am Ende. Es war mir ganz egal, ich –

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    (gib dem Affen Zucker 1 )
     
    Die Landschaft, in der Heinrich glücklich war, in jenen kalten Wochen des Jahres 1807, hat etwas Gewaltiges, er würde sagen: Erhabenes. Die zerklüfteten Berge ragen rau über das Tal der Cluse, es ist bis ins Frühjahr hinein kalt, oft fällt noch im März der Schnee und bedeckt die weitläufigen, steilen Hänge. Die Cluse, deren Name den tiefen Durchbruch durch das Gebirge bezeichnet, durch den sich das Wasser hier im französischen Jura seinen Weg bahnt, bildet ein Zickzack, auf das Heinrich, wenn er auf dem Festungswall spazieren ging, hinabsah. Die Burg thront hundert Meter über dem Dorf La Cluse-et-Mijoux, das selbst auf einer Höhe von achthundertsechzig Metern über dem Meeresspiegel liegt, auf einem gigantischen kahlen Felsen, wenige Meilen von der Stadt Pontarlier entfernt, von der aus der Mont de Joux mit seiner Festung zu sehen ist, eine der höchsten Erhebungen Frankreichs, an der alten Handelsstraße, die Dijon mit Lausanne verband, zur Schweiz hin, gegen welche es als Schutz und Bollwerk und Grenze diente.
     
    An manchen Tagen lag das Tal in undurchdringlichem Nebel, dann wieder warf die Sonne ihr blendendes Winterlicht auf den Schnee hinab, langsam übergehend in die Helligkeit des Frühjahrs, März, April, wenn sie höher steigt und eine eigene Kraft entfaltet. An manchen Tagen erhob sich ein wilder Wind, von Norden kommend, laut und unbarmherzig heulte er um das Fort. Heinrich schob sich an den eisigen Mauern im Innern entlang, rastlos, unruhig, als könnte er mit den Ohren durchs Mauerwerk die Neuigkeiten erfahren, auf die er wartete: wie es stehe mit dem Krieg der Franzosen gegen die Preußen, ob denn Ulrike schon geschrieben habe, seine Schwester, ob er denn auf bessere Bedingungen oder eine Freilassung hoffen dürfe – und dann, schlagartig, unbegründbar, wie einer Laune folgend, ist ihm all das gleichgültig und vergessen. Ein Satz hat begonnen, eine Antwortphrase hat sich gemeldet; sein Stück steht klar vor seinem inneren Auge, seiner eigenen Bühne, und der Fortgang der Handlung will geschrieben werden. Es gibt nichts anderes mehr.
     
    Heinrich sah also nicht nur auf das sanfte Tal des Doubs, dessen Name doch den Zweifel und das Ungewisse umschließt, dessen Wasser unregelmäßig steigen und fallen, in der Erde verschwinden, um an anderer Stelle wieder aufzutauchen, sondern er blickte vor allem auf die wilde, unbezähmbare Cluse, die im Zickzack ihren Weg in die Felsen reißt.
    Zu Fuß hatte man die Gefangenen den letzten Anstieg nehmen lassen, hinauf in schwindelerregende Höhen und eisige Kälte, in eine Landschaft, die Heinrich atemberaubendfand, sobald der heftige Schneefall den Blick freigab, auch wenn er seiner Schwester Ulrike gegenüber lieber die schrecklichen Beschwernisse hervorhob, den mühsamen Aufstieg, die Öde des nackten Felsens, den bedrohlichen Sturm, in den man sie hinaufschickte, den Blick auf einen Abgrund gerichtet. Und oben angekommen, drei Fuß hoher Schnee. Ulrike sollte Geld schicken, da musste er an ihr Mitgefühl appellieren. Als er hört, dass sein Freund Albert in die Zelle des berüchtigten haitianischen Revolutionärs Toussaint L’Ouverture gesteckt wurde, der hier, nur wenige Jahre zuvor, an der Kälte verreckt war, braust er auf. Warum Gauvain? Warum nicht er?
Toussaint, the most unhappy man of men!
Ohne Licht und Luft, klagt er der Schwester, dreifache Gitter, erbärmliche Unterkünfte, noch dazu die Verwirrung, ob sie nun als Staatsgefangene oder Kriegsgefangene behandelt werden sollten, mit anderen Worten: wer für ihren Aufenthalt bezahlte. Franz und Albert hatte man das Geld gleich abgenommen und verwaltete es nun für sie; Heinrich, dessen Taschen leer waren,

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