Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit
war die Sache neu und anders. So eine anziehende, gebildete Person, eine reizende junge Mutter, mit so einem sehnsuchtsvollen Schimmer in den Augen, zwischen Freundlichkeit und Melancholie und –
oh, diese wunderbare Wehmut!
Was zöge einen Mann mehr an, der so nüchtern auf der Welten Gang zu sehen pflegt wie er, Adam?
Und sie, in ihrer Ehe traurig, hatte sich verzaubern lassen, von seiner eleganten und galanten Art, von diesen schlanken, edlen Händen, von seinem rätselhaften Gesicht, wenn er die Wangen ein wenig einzog, um sie schmaler und seine ohnehin vollen Lippen verführerischer erscheinen zu lassen, wenn er die Lider leicht senkte, um versonnene, ihm selbst kaum bewusste Verliebtheit vorzugaukeln. Vor allem aber schmeichelte es ihr, dass ein so intelligenter und bekannter Mann sich an sie wandte. Der junge Professor Adam Müller, von dem man so viel hörte, wie ihm die Studenten in Dresden zugeströmt, um ihm zu lauschen, wenn er über die deutsche Literatur sprach und später dann philosophische Fragen zwischen Politik und Ökonomie erörterte, er machte einen großen Eindruck auf Henriette, damals noch genannt: Adolphine. Zwischen ihren Hausarbeiten, die nicht die Dienerin, sondern sie selbst ausfüllte, zwischen dem Wäschesortieren und In-die-Schränke-Legen und dem Plätten, das sie selbst stets übernahm, obwohl das Eisen schwer war, zwischen dem Nähen und dem Spielen mit dem Kind, hatte Henriette viele Bücher gelesen, Goethes »Werther«, Klopstocks Oden, Tiecks »William Lovell«, Shakespeares Dramen, Schillers Stücke, Cervantes, Homer, englische Romane, die damalsdie Runde machten, Richardsons »Clarissa« vorneweg, natürlich auch Novalis und Hölderlin, kurz, alles, was sie finden konnte, hatte sie auf ihre stille, emsige Art verschlungen und sich dabei oft die Inhalte selbst vorgesagt, um mithalten zu können in Gesellschaft, um sich nicht zu blamieren, und auch ihren Mann nicht.
Louis schien von Adams Interesse an Henriette und Henriettes Interesse an Adam gar nichts zu bemerken, oder wollte er es nicht? Ein freundlicher Mann war Louis Vogel, ein großzügiger Freund, nicht wahr, vielleicht doch auch ein wenig bequem, bedacht darauf, seine Position zu verbessern, mit einem gewissen, nicht zu großen Ehrgeiz, auf keinen zu großen Kreis gerichtet. Sollte er doch etwas bemerken, so ließ er Henriette gewähren, seiner selbst sicher genug, vielleicht auch entlastet von Wünschen, die zu beantworten ihm nicht in den Sinn kam, nicht mehr, und, wer weiß das schon, dem einen oder anderen Geplänkel selbst nicht abgeneigt, weil es nun einmal alle so hielten, weil es nun einmal die Mode war.
Adam Müller wiederum fand Louis, mit dem er schon zusammen zur Schule gegangen war, in das Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster, nützlich im Hinblick auf allerlei praktische und finanzielle Fragen, vor allem, wo er doch erst seit Kurzem wieder in Berlin ansässig war, er fand ihn angenehm im Umgang, er genoss, eitel, wie er nun einmal war, ein wenig dessen Bewunderung und verkehrte hin und wieder mit ihm.
Henriette, mit schöner heller Haut trotz ihrer Pockennarben, den hellblauen Augen unter den langen Wimpern, dem üppigen Busen, auf dem blaue Äderchen zusehen waren, gefiel Adam, wie Blumen in einer Vase es taten. Er kam näher, freute sich, sog den angenehmen Geruch ein und ließ seine Blicke einen Moment zu lange auf ihren Lippen ruhen als es in einer Konversation ohne Absicht üblich gewesen wäre. Auch ließ er das Kinn manchmal leicht sinken und öffnete den Mund ein wenig, einen winzigen Spalt nur, der hauchte, komm, still und scheinbar scheu verschämt.
Henriette, ohne Arg und voll unerfüllten Verlangens, nahm sein dummes Spiel für Ernst, sein dämliches Schmachten für wahre Verliebtheit. Immer weniger konnte sie ihre Augen nehmen von Adams wild geschwungenem Mund, den einladenden Lippen, diesem funkelnden Lauern in seinen Augen, diesem Ausdruck, wenn er die Wangen leicht nach innen zog, zwischen Wissendem und Tier, von dem sie sich gewollt fühlte an einer Stelle, an der niemand sonst Interesse zeigte, schon gar nicht Louis, ihr eigener Mann.
Auch Heinrich war auf dieses Gesicht hereingefallen, hatte bis zuletzt, in diesem Sommer, nicht begriffen, dass Adam seine Gaben zum Einsatz brachte, zweckgebunden und gezielt; denn lange, lange leider glaubte Heinrich, die Menschen seien wie er, verschleuderten sich ohne Wenn und Aber, und rechneten auf keinen Gewinn.
Denn selbst wenn Heinrich
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