Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit
große deutliche Erkenntnis, eine von denen, die alles verändern.
Genau so war es, am Klavier. Eine plötzliche Erkenntnis. Dass ich sterben möchte, mit dir. Dass das Sterben das Richtige ist, für mich.
Es geht inzwischen auf Mitternacht zu, die Zeit,
unsere Zeit hier
, sie vergeht so schrecklich schnell. Im Haus ist nicht viel zu hören. Ein Fensterladen klappt im Wind, der See schwappt gegen das Ufer, irgendwo vielleicht noch eine Stimme, oder das Krächzen eines Nachtvogels. Draußen streichen Füchse umher, es maunzt eine Katze. Ein Käuzchen wartet auf den eigenen Schrei.
Auf dem Tisch hier im Zimmer flackern die Kerzen, auf dem Tisch hier liegen drei Waffen, zwei kleine handliche Terzerols und eine große, effektive Pistole. Der Lappen ist zusammengeknüllt, Papier wartet auf Feder und Tinte. Zwei Flaschen Wein sind geleert. Alles ist gut, alles ist einfach. Die Worte waren so leicht, sie kamen wie von selbst.Henriettes aufgelöstes Haar, Heinrichs mitfühlende Seele. Längst sitzt Henriette auf Heinrichs Schoß, sie lehnt sich an ihn, er wiegt sie, streicht ihr über das dunkel glänzende Haar, sie sprechen noch eine Weile, sehr leise, in ihrem Traum zu zweit, er flüstert ihr etwas ins Ohr,
da setzt sie sich plötzlich auf, lacht, schnäuzt in ihr besticktes Tüchlein, sagt, jetzt ist es gut, jetzt lass uns einen schönen starken Kaffee bestellen –
und unsere letzten Briefe schreiben,
und so muss der arme Diener des Hauses, ein einfacher Tagelöhner mit Namen Johannes, der tagsüber die schwersten Arbeiten zu verrichten hat, auf das Klopfen der Herrschaft hin, aus dem Halbschlaf hoch und in Nachthemd und halb geschlossener Hose in die Küche, um einen Kaffee zu kochen.
Wenigstens glimmt das Feuer im Herd noch ein wenig; was für Umstände macht doch dieses sonderbare Paar.
Nicht zum letzten Mal in dieser Nacht.
Jetzt fängst du tatsächlich wieder mit diesen Briefen an!
4
(Schlimme Liebschaften 3 )
Der Marquis de Mirabeau hat viel darüber nachgedacht, dass die wahre Liebe die Verbindung zwischen körperlicher und seelischer sei. Was nun aber, wenn bei einem Menschen die seelische Seite überwiege und die körperliche gewissermaßen nur – vielleicht auch, weil der Körper so oft – gequält – oder – vielleicht –
Als ich Heinrich kennenlernte, war mit einem Schlag alles anders in meinem Leben. Fassungslos war ich. Es war, als ginge von ihm eine Musik aus, die vollkommen mit mir im Einklang war, eine Musik, die ich niemals hätte machen können, die niemand hätte spielen können, die ich auch nicht hörte, weil wir zusammen musizierten, sondern einfach immer dann, wenn er den Raum betrat und wir beieinander saßen.
Ich hörte diese Musik in mir, klar und schön. Meine Äolsharfe, meine Wärme, mein Wald.
Gibt es das?
Ja, sage ich, ich kenne es. Louis, mein Mann, hätte mich ausgelacht: Ein Mann, eine Melodie? Ach, ach.
Louis. Oder auch Ludewig. Ein hübscher Mann, sechs Jahre älter als sie, wohlgenährt und wohlgeboren, mit rosigen Wangen, ein freundliches Gemüt, sein Vater Vikar und Organist. Ein Jugendfreund aus der Gemeinde. Du spielst so schön das Klavier, Adolphine. Neunzehn Jahre alt war sie gewesen, als er sie zum Altar geführt, der junge Herr Canzeley-Sekretär. Ganz allmählich macht er seine Karriere, überschaubar, nie spektakulär, immer auf dem gleichen Gebiet. Landschaftsbuchhalter, Rentmeister, auch Rendant. Einer, der sich um die Kassen des Staates kümmert, ein Beamter.
Als ich Heinrich kennenlernte …
wir sind uns sicher einmal über den Weg gelaufen, er hat eine Zeit lang in der Nähe des Arztes gewohnt, zu dem ich des Öfteren ging, und natürlich, in den Geschäften in der Nähe des Gendarmenmarktes, oder in einem Salon, aber ich meine, als wir uns zum ersten Mal richtig begegnet sind – als ich ihn zum ersten Mal wirklich –
Im Grunde war Adam Müller schuld daran. Adam verdanke ich Heinrich. Grotesk genug, doch ich muss es einfach so sagen. Manche denken, es wäre bei der Taufe gewesen, von Adam Müllers Kind, aber da kannten wir uns längst.
Es gibt ein Geheimnis um Heinrichs und Henriettes erste Begegnung. Die Spuren sind verwischt. Es geht überhaupt ziemlich durcheinander, in dieser Geschichte von Henriette und Heinrich und Adam. Fangen wir doch einfach mit der Taufe an,
was war da eigentlich, im November 1810?
Bei der Taufe der kleinen Cäcilie, Sophie und Adam Müllers erstem gemeinsamen Kind,
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