Wir sind alle Islaender
dann doch nicht mit uns, und Anfang 2008 zog ich wieder aus. Es war ziemlich blöd, dass es mit uns nicht funktioniert hat. Danach war ich wieder alleine und saß bei meinem Vater auf dem Sofa (Frostis Eltern sind geschieden), wusste nicht so recht, was ich mit mir anfangen sollte. Dann sahen wir eines Abends die Spätnachrichten im Fernsehen,
und es wurde irgendwas berichtet über Schwankungen des Nasdaq-Index an der amerikanischen Börse, und wir stehen also im Wohnzimmer in unseren Unterhosen und kratzen uns hinter den Ohren, und mein Vater sagt, das geht jetzt alles zum Teufel, die Krone fällt gleich. Ich nahm das wörtlich, und am Tag danach habe ich die Bank angerufen, wo ich ja ein nettes Sümmchen nach dem Wohnungsverkauf liegen hatte, und denen gesagt, dass ich sofort Euros für zehn Millionen Kronen kaufen wollte. Man machte mir ein gutes Angebot, den Euro für sechsundneunzig Kronen (Stand Ende April 2009: einhundertsiebzig Kronen). Die Bankangestellte sagte mir, das sei jetzt mein Risiko, und ich war ganz cool, denn ich wusste ja sowieso nicht, was ich tat. Und tatsächlich, kurz danach begann die Krone zu fallen (März 2008: um zwanzig Prozent), und ich dachte, Mensch, wow, ich habe Geld verdient! In einem Monat gleich zwei Millionen! Um Ostern fängt die Krone wieder an zu steigen, und da hatte ich für drei Millionen mehr Euros gekauft und war ganz schwer im Stress. Dann fiel sie wieder. Meine seelische Verfassung folgte genau dem Wechselkurs der Krone, es war zum Heulen, also dachte ich, ich verkaufe das Ganze einfach wieder. Die Leute bei der Bank sagten zu mir: ›Hast du für so was überhaupt Nerven, sollen wir das nicht für dich übernehmen?‹ Sie boten so ein Vermögensverwaltungsprogramm an und fragten, willst du da nicht einfach einsteigen? Da habe ich gleich ja gesagt.«
»Damals habe ich beim Nationaltheater in den Kulissen gearbeitet, und das nächste Stück stand unmittelbar vor der Premiere. Wir arbeiteten Tag und Nacht, und ich hatte nicht wirklich Zeit für diese Währungsspekulationen. Die Bühnenarbeiter haben sich schon über mich lustig gemacht, denn ich
konnte mich gar nicht mehr konzentrieren, sondern musste immer nach unten ins Büro laufen, um an den Computer zu gehen, damit ich den Wechselkurs der Krone verfolgen konnte. Das war natürlich alles vollkommen daneben, und deswegen war ich einfach froh, als ich die Euros alle wieder verkauft hatte und bei der Vermögensverwaltung der Bank einstieg. Ab und zu bekam ich dann Meldungen, das Geld sei im Investierungsfonds Nr. 9 angelegt worden, oder jetzt habe man die Hälfte in den Fonds Nr. 1 investiert. Ich war bei Glitnir, und als die von der Zentralbank übernommen wurde, am 29. September, hat man diese Fonds sofort eingefroren, und kein Mensch konnte mir erzählen, was mit ihnen war. Bei der Bank sagte man einfach, diese Fonds sind fürs Erste geschlossen.«
»Ich nahm das am Anfang eher gelassen, dachte mir, jetzt zahle ich erst mal meine Rechnungen, bevor mein Geld alle ist. Ein paar Tage später wird der Fonds wieder geöffnet, und schwupp hatte ich eine Million verloren. Man sagte mir, die Stodir-Holding (früher FL-Group) sei in Insolvenz, und deswegen hätte ich Geld verloren. Später erfuhr ich, dass die FL-Group ja Haupteigentümer von Glitnir war und die FL-Group wiederum ein Teil der Baugur-Group. Nun ja, sagte ich mir, das ist ja alles mehr oder weniger dieselbe Soße. Ich habe meinen Vermögensverwalter bei der Bank angerufen und gefragt: ›Geht das denn jetzt alles den Bach runter? Soll ich das Geld nicht besser abheben?‹ Er zögerte und schlug dann vor, noch etwas abzuwarten und dann die Sache gründlich durchzugehen. Ich sagte okay, aber als ich den Hörer auflegte, wusste ich sofort, da stimmt was nicht. Ich geh also zur Bank und sage, ich will das Geld doch abheben und auf gewöhnliche Sparkonten verteilen. Und er sagt: ›Sollten wir nicht lieber staatliche
Wertpapiere kaufen, der Staat wird ja nicht in Konkurs gehen.‹ Okay, erwidere ich, aber bevor das zuwege gebracht werden konnte, krachten ja alle drei Banken auf einmal in sich zusammen, und die Fonds wurden wieder geschlossen.«
»Fonds Nr. 1 ist noch immer zu, keine Ahnung, wie es da um mein Geld bestellt ist. Bei Fonds Nr. 9 habe ich schon zwei Millionen abschreiben müssen, und bei Fonds Nr. 1 könnte ich eventuell noch fünf bis sechs Millionen verlieren. Wer weiß? Eigentlich will ich nicht mehr darüber nachdenken. Das war so in etwa mein
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