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Wir sind alle Islaender

Titel: Wir sind alle Islaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Halldór Gudmundsson
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der Familie wieder mehr miteinander, und die Menschen nehmen Anteil an den Problemen der anderen. Man braucht sich nicht mehr zu schämen, man darf sagen, dass es nicht allzu gut geht.«
    »In den Jahren des Aufschwungs, als es am Schlimmsten war, hat man ja fast außerhalb der Gesellschaft gestanden, wenn man nicht mindestens zwei Jeeps sein Eigen nennen und fünf- bis siebenmal im Jahr ins Ausland fahren konnte. Diesen Träumen lief man hinterher. Jetzt ist es in Ordnung, wenn man einfach sagt, leider kann ich heute Abend nicht mit ins Restaurant kommen, denn ich habe kein Geld. Ich muss sparen. Das nimmt einem niemand mehr übel.«
    »Ich bin überzeugt, dass sich unsere Gesellschaft aufgrund der Krise grundsätzlich ändern wird. Wir waren sehr egoistisch, es ging immer nur um die eigenen Interessen, jetzt wird Island sich zu guter Letzt zu einem nordischen Sozialstaat entwickeln.«
    Hannes ist in vielem der typische isländische Mann, der immer viel gearbeitet hat und neue Aufgaben sofort angeht. Umso schlechter bekommt ihm das Nichtstun. Er glaubt, dass es die südwestliche Ecke des Landes, wo Reykjanesbaer liegt, am schwersten trifft, denn dort war auch der Boom so übertrieben.

    »Die gesamte Baubranche auf Island liegt still. Für mich machte es keinen Sinn mehr, an meinen Arbeitsplatz zu gehen, nachdem mir gekündigt wurde. Ich habe mit meiner Firma abgemacht, dass ich zu Hause bleibe und von dort aus versuche, Aufträge zu finden, aber bisher war das ohne Ergebnis. Inzwischen bin ich auch offiziell arbeitslos.«
    Hannes gibt ehrlich zu, dass er auf die Kündigung empfindlich reagiert hat und dass ihm die Arbeitslosigkeit sehr zusetzt.
    »Früher hatte ich zwischendurch immer meine Freude daran, Möbel zu designen oder Ähnliches zu probieren, aber nach der Kündigung tue ich mich damit schwer. Das Malen war immer eines meiner Hobbys gewesen, aber ich kann mich selbst darauf nicht konzentrieren. Der Schock, meinen Job zu verlieren, einen Job, den ich so absolut sicher wähnte, war fürchterlich. Wir, meine Familie und ich, wohnen ja in einem wohlsituierten Viertel, und meine Nachbarn und Freunde haben noch Arbeit, manche sind öffentliche Angestellte, und die sind natürlich in jeder Hinsicht privilegiert, und ich fühle mich im Vergleich irgendwie weniger wert. Ich zog mich zurück, war oft schlechter Laune und zornig. Na ja, den Zorn habe ich dann in meinem Blog loswerden können. Da konnte ich über die Politiker herziehen und schimpfen, wie ich wollte. Im Blog kann man Trost suchen.«
    »Allmählich wird es auch finanziell enger. Ich habe früher gut verdient, aber das ist jetzt zu Ende, und man merkt es mehr und mehr.«
    Bei Hannes hat es lange gedauert, bevor er sich über seine neue Situation im Klaren war.
    »Man hatte ja plötzlich Gelegenheit genug, über sich selber und sein Leben nachzudenken. Ich sah die Rechnungen kommen
und dachte, na gut, das kann ich mir jetzt als Arbeitsloser nicht mehr leisten. Was soll ich nur tun? Zuerst wird man wütend oder macht sich dauernd Sorgen, aber dann wird man achtlos, leichtsinnig oder einfach gleichgültig. Man denkt, diese Rechnung kommt von der Bank, die den Karren in den Dreck gefahren hat. Bleiben wir erst mal cool und zahlen erst dann, wenn wir wieder Geld haben. Irgendwie ist es gleichgültig.«
    Hat er sich um Hilfe bemüht?
    »Nicht wirklich. Ich habe zwar hier eine öffentliche Einrichtung für Arbeitslose besucht und zwei Seminare mitgemacht. Hatte mir eigentlich eingebildet, jetzt würde ich unglaublich tüchtig sein und mich wahnsinnig weiterbilden, aber dann war das eher so eine Art Damenklub; die waren alle am Stricken. Ich hatte nie das Gefühl, die könnten mir helfen. Das war eher so eine Art Aufbewahrungsstation für Leute wie mich, bis der Arbeitsmarkt sich wieder erholt hat. So habe ich es jedenfalls erlebt, ich fand das Ganze einfach schlecht organisiert. Aber ich war natürlich zu der Zeit auch nicht gerade gut aufgelegt.«
    »Nie werde ich den Tag vergessen, als Geir Haarde seine Ansprache hielt und mit den Worten Gott segne Island schloss. Wir wussten ja, dass uns die Ansprache bevorstand, ich war schon ziemlich beunruhigt deswegen und beschloss nach Hause zu gehen, um sie dort im Fernsehen zu verfolgen. Das ist ein Problem von mir: Ich kann schlechte Nachrichten nicht gut vertragen, sie gehen mir immer so nah. Meine Frau war auch schon zu Hause, zurück von der Arbeit, und als wir Geir sahen, so tiefernst, und er mit diesen Worten

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