Wir sind alle Islaender
Abenteuer als Investor. Wahrscheinlich hätte ich mich auf meine Träume verlassen sollen: Im März 2008, als die Krone fiel, erschienen mir Geir Haarde und David Oddsson im Traum, wo sie einen Graben schaufelten, im schweren Regen. Wahrscheinlich haben sie versucht, damit die Krone zu retten. Ich hatte auch einen wiederkehrenden Traum, in dem mir ein Zahn aus dem Mund fiel. Und jedes Mal ging danach eine Bank oder eine andere große Firma Konkurs. Hätte mich eigentlich danach richten sollen!«
»Wie auch immer, im Herbst 2008 saß ich nicht mehr bei meinem Alten auf dem Sofa, das ging ja nicht, ich habe mir eine Wohnung gemietet, eine klitzekleine Wohnung von sechzig Quadratmetern für über Hunderttausend im Monat, aber ich dachte immer, das kann ich ja spielend mit den Zinsen begleichen.« Lachend: »Gleichzeitig konnte ich mich fürchterlich über eine Parkgebühr aufregen, aber man ist ja nicht logisch. Ich hatte nicht mehr viel zu tun, hatte keine neuen Projekte bekommen, war ja lange freischaffend gewesen, im Grunde war ich arbeitslos, aber ich habe das nicht so empfunden, wahrscheinlich weil ich keine Geldsorgen hatte. Aber in der Krise
kam mir dann plötzlich die Idee mit den Kronenkarten, und da habe ich mich voll reingestürzt, die zu verwirklichen.«
Frosti hat als Künstler schon ein paar Mal verrückte Ideen entwickelt. Einmal brachte er einige Dutzend Finnen dazu, ihm ihre Fingerabdrücke zu schicken, und sie bekamen eine schriftliche Bestätigung, dass ihre Fingerabdrücke in Island in kleinen Kästchen aufbewahrt würden. Einmal gründete er eine Filiale für indische Bettler in einer Galerie in Reykjavík. Die Kronenkarten waren eigentlich Postkarten, die man um eine aufgeklebte Krone herum zusammenklappen konnte. Geplant war, sie in kleinen Kästen in der Nähe von Touristenattraktionen aufzustellen. Dort sollten die Touristen dann jeweils für einen Dollar oder einen Euro eine Kronenkarte kaufen. Frosti präsentierte diesen Vorschlag der verblüfften isländischen Öffentlichkeit Anfang November und meinte, das wäre doch ein Weg, die Devisenreserve des Landes zu stärken. Zwölf Prozent der Einnahmen sollten an die britische Zentralbank weitergeleitet werden, um Islands Schulden zu begleichen.
»Ich kam in die Nachrichten, und alle fanden es lustig, und ich habe die Kästen an diversen Orten aufgestellt. Für die Kästen hatte ich auch ein Logo entwickelt, das war die isländische Fahne mit einem roten Kreuz in der Mitte. Eine Art von Rote-Kreuz-Sammlung könnte man sagen. Ich habe fünftausend Kronenkarten drucken lassen. Es hat Spaß gemacht, mitten in der Krise so ein schönes kleines satirisches Stück aufzuführen. Mitte November ruft mich ein Ausländer mit den Worten: Are you Frosti? an. Dann erklärt er mir, er sei Karl Heinz Bellmann aus Deutschland, und er sei nach Island gekommen, um sein Geld zu suchen, das er auf ein Kaupthing-Edge-Konto einbezahlt hatte, und jetzt könne ihm kein Mensch
sagen, wo das Geld sei. Er war als Vertreter der Kleinanleger bei Kaupthing-Edge gekommen und hatte ein deutsches Fernsehteam dabei, vom ZDF, glaube ich. In einem Restaurant wäre er auf meine Kronenkarten gestoßen. Erst dachte ich, der Mann ist stocksauer auf mich, will sofort sein Geld haben. Aber dann sagte er, er fände die Idee einfach genial, das müsste er mit nach Hause nehmen. ›The problem is, I don’t have any money!‹ Das fand ich herrlich, da musste ich lachen. Ich habe ihm natürlich einen Kasten Kronenkarten geschenkt, und die nahm er dann mit nach Deutschland, und das kam alles im dortigen Fernsehen.«
»Man muss sich was einfallen lassen in der Krise. Auch etwas für sich selber tun. Im Herbst habe ich angefangen, im Meer zu baden. Jemand sagte mir, es sei großartig und ich solle es mal probieren. Da war das Meer noch fünf Grad, im Winter ging es runter bis auf null Grad, war ziemlich kalt, dann stieg es wieder auf drei bis vier Grad, das ist schon ganz gemütlich – man freut sich, wie es langsam wärmer wird. Im Meer zu schwimmen gibt unglaublich viel Kraft, klärt den Kopf, und nachher ist dir, als hättest du einen Riesen-Langlauf gemacht, ist ja eine richtige Schockbehandlung für den Körper. Am besten hat man Handschuhe dabei an und eine Mütze auf dem Kopf. Hinterher legt man sich dann in ein warmes Becken, tut unglaublich gut. Das hilft wirklich gegen den Krisenblues.«
»Die Demonstrationen haben auch sehr geholfen. Es tat unglaublich gut, vor dem Parlament zu
Weitere Kostenlose Bücher