Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wir sind bedient

Titel: Wir sind bedient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alena Schroeder
Vom Netzwerk:
mehr jeder Friseur. Man muss die Haare waschen und gut eindrehen, dann geht’s unter die Trockenhaube. Dann muss man mit Schmackes ausbürsten, föhnen und antoupieren, am Schluss alles festsprühen. Da bewegt sich dann kein Haar mehr, meine Chefin kann das noch richtig gut, das hält dann auch wirklich eine Woche.
    Ich föhne am liebsten. Da kann ich mich am meisten austoben und meine eigenen Ideen einbringen. Den
Schnitt mache ich ja, weil der Kunde ihn so haben will. Und ich bin immer etwas enttäuscht, wenn er selber föhnen will. Weil ich dann meine Arbeit so halb fertig aus der Hand gebe. Wozu geht man dann zum Friseur? Ich finde, sich föhnen zu lassen gehört einfach dazu.
    Ich selber sehe überhaupt nicht nach Friseur aus, und ich mag es auch bei meinen Kunden lieber natürlich. Außerdem bin ich nicht so der superkreative Typ, der sagt: »So, Frau Schmidt, ich misch Ihnen jetzt mal acht Farben zusammen, und dann machen wir mal was ganz Verrücktes.« Man muss ja auch drauf achten, was die Kundin sonst so für ein Typ ist. Einer grauen Maus, die sich nicht schminkt, würde ich auch keine bunten Strähnchen färben.
    Obwohl, einmal hatte ich eine Braut, die war sonst eher ein unscheinbarer, burschikoser Typ. Aber zur Hochzeit wollte sie es mal so richtig krachen lassen, alle ihre Prinzessinnenträume verwirklichen. Was die alles an Schleifchen, Blümchen und Perlchen im Haar haben wollte! Und dann hatte sie noch ein Krönchen dabei! Ich habe ihr gesagt: »Du, mach das lieber nicht. Du wirst dir total verkleidet vorkommen und dich unwohl fühlen.« Aber am Ende hat sie sich durchgesetzt. Sie ist dann an ihrem großen Tag mit einer Kutsche abgeholt worden, hatte ihr Krönchen und den ganzen anderen Klimbim im Haar und sah sehr glücklich aus.
    Viele Frauen wollen radikale Veränderungen nach einer Trennung. Von langen blonden Haaren dann auf raspelkurz und schwarz. In der Regel rate ich dazu, erst mal nur
eine Sache zu machen. Also nur Haare ab oder nur färben. Hat ja auch keinen Sinn, wenn man sich nach dem Friseur noch elender fühlt als vorher, weil die Verwandlung vielleicht doch zu extrem war.
    Früher habe ich auch selber mehr experimentiert mit meinen Haaren, da hatte ich sie auch mal pink, aus Liebeskummer. Und eine Weile war ich auch mal blond. Als ich mir die Haare dann wieder schwarz gefärbt habe, habe ich richtig gemerkt, wie anders die Leute mit mir umgehen. Plötzlich bin ich viel ernster genommen worden, beim Kellnern hatten sie mich ständig mit »Mäuschen« oder »Schätzchen« angesprochen, mit den schwarzen Haaren passierte mir das plötzlich gar nicht mehr. Schon irre, was die Haarfarbe so ausmacht.
    Viele haben fast schon Angst zum Friseur zu gehen, weil Friseure angeblich immer zu viel abschneiden, obwohl die Kunden eigentlich nur die Spitzen geschnitten haben wollten. Ich würde natürlich nie einen Schnitt machen, den der Kunde nicht will. Aber man sollte schon klare Ansagen machen: Wenn eine Kundin sagt, sie möchte fünf Zentimeter abhaben, dann zeige ich noch mal, wie viel fünf Zentimeter wirklich sind. Da gehen die Definitionen nämlich weit auseinander.
    Es gibt auch ein paar Dinge, da weigere ich mich. Ich würde einer Kundin mit hochblondierten Haaren zum Beispiel nicht auch noch eine Dauerwelle machen - das macht die Haare so kaputt, die kann man dann büschelweise abziehen. Wir nennen so was einen »chemischen Haarschnitt«.

    Mit meinen Kunden quatsche ich immer gern. Man erfährt ja auch wirklich eine Menge. Eigentlich müsste man noch ein Psychologiestudium dranhängen an die Ausbildung, die Leute erzählen einem wirklich alles. Einer hat mir mal gesteckt, dass er seine Frau betrügt. Und seine Frau war auch regelmäßig Kundin bei mir! Wenn die wüsste … Eine andere Kundin zeigt mir immer die versauten SMS von ihrem aktuellen Lover und fragt mich dann, was sie antworten soll. Gerade für die älteren Kunden ist man oft eine der wenigen Bezugspersonen. Eine Kundin ist seit Jahren Witwe und redet immer noch von »wir«, wenn sie aus ihrem Leben plaudert: »Wir gehen später noch spazieren« oder »Wir haben heute spät gefrühstückt«. Am Anfang hat mich das sehr berührt, inzwischen schalte ich auf Durchzug und lass sie einfach erzählen.
    Ich habe auch eine Kundin, die glaubt, sie sähe aus wie Julia Roberts. Sie

Weitere Kostenlose Bücher