Wir sind bedient
will auch immer die Haare so haben, wie die Schauspielerin sie gerade hat. Und ein Glas warmes Wasser, weil sie glaubt, das würde sie schlank halten. Ein Kunde hat ganz doll Parkinson, der wackelt so stark, dass ich beim Schneiden immer genau die Zitteranfälle abpassen muss - er nimmt das mit Humor, eigentlich ist das immer ganz lustig mit ihm.
Klar gibt es auch unangenehme Kunden. Alkoholkranke, bei denen man es einfach stark riecht. Einer hat sich mal unterm Kittel selbst befriedigt. Den hab ich dann höflich gebeten, damit aufzuhören, den Schnitt noch fertig gemacht und ihn dann rausgeschmissen. Und neulich hatte ich eine Kundin, die war so öko, dass sie sich seit
zwei Jahren die Haare nur mit Wasser gewaschen hat - ohne Shampoo.
Was ich gar nicht mag, sind Kinderhaarschnitte. Ich muss mich total herunterbücken, die Kinder zappeln die ganze Zeit, schmieren ihre Rotze an den Kittel und sind zum Teil ganz schön frech. Neulich hatte ich einen Dreijährigen, der ernsthaft anfing, mit mir zu diskutieren, wie ich ihm die Haare zu schneiden habe. Und seine Mutter stand daneben und sagte: »Ja, er ist eine richtige kleine Persönlichkeit, er weià schon ganz genau, was er will!« Na, super!
Viele Mütter möchten, dass ihre fünfjährigen Töchter so aussehen wie die Kinder von Hollywoodstars. Damals, als Suri Cruise noch einen Bob hatte, kamen ständig Mütter mit der Gala in der Hand und wollten das genauso bei ihren Töchtern haben. Aber es ist wahnsinnig anstrengend, einem kleinen Kind, das nie stillhält, einen so exakten Bob zu schneiden oder einen Stufenhaarschnitt. Hinterher bin ich fix und fertig und hab gerade mal fünf Euro daran verdient.
Viele Mütter denken, wenn ich ihnen die Haare schneide, dann bekommt ihr Kind den Haarschnitt umsonst. Aber ich mache so was nicht, ich arbeite nicht umsonst. Wenn ich zu Lidl gehe, sag ich der Kassiererin ja auch nicht: »Ich kaufe hier eine Salami, dafür ziehen sie dann aber die Butter nicht über den Scanner, ja?« Trotzdem bin ich natürlich immer nett zu Kindern, die sind ja die Kunden von morgen. Und ich will natürlich auch deren Mütter nicht vergraulen.
Ich habe damit aufgehört, meinen Freundinnen umsonst die Haare zu schneiden. Und das hat tatsächlich schon eine Freundschaft zerstört. Immer, wenn ich einfach nur zum Quatschen auf einen Kaffee vorbeikommen wollte, hieà es: »Ja, supi, und dann bringst du deine Haarschneidesachen auch gleich mit, ja?« Irgendwann fühlt man sich ausgenutzt.
Jetzt schneide ich wirklich nur noch meiner Familie umsonst die Haare. Meine Mutter hatte sich für meine Abschlussprüfung bereit erklärt, mein Dauerwellenmodell zu werden, obwohl in der Zeit Dauerwellen so was von out waren. Und mein Bruder war so lieb, sich die Haare wachsen zu lassen, damit ich an ihm einen stufigen Fassonschnitt ausprobieren konnte. Das war ein echtes Opfer! Und dafür bekommen sie natürlich bis an ihr Lebensende die Haare umsonst geschnitten.
Es gibt eine Sache, mit der man einen Friseur ziemlich nerven kann: Wenn man sein Handwerkszeug nicht achtet. So eine Friseurschere kostet ab fünfhundert Euro aufwärts, das ist fast ein ganzes Monatsgehalt. Auch das Schleifenlassen kostet richtig Geld. Und wenn dann jemand kommt und sagt: »Ach, mir hängt hier so ein Faden aus dem Pulli, kannst du den mal eben abschneiden?« Das macht mich rasend.
Genauso schlimm sind Trockenhaarschnitte. Männer, die mit dreckigen Haaren hier reinkommen, sich das Geld fürs Waschen sparen wollen und »nur mal eben schnell« einen Trockenhaarschnitt wollen. Das macht mir die Schere stumpf und lässt sich total schlecht schneiden. AuÃerdem
ist es ohnehin ungerecht, dass Männerhaarschnitte so viel billiger sind als Frauenhaarschnitte. Bei Männern muss man viel exakter arbeiten, wenn man so einen Kurzhaarschnitt noch richtig mit Kamm und Schere schneidet.
Das Einzige, was ich wirklich gar nicht kann, sind Bartrasuren mit dem Messer. Ist ohnehin inzwischen verboten, wegen der Aidsgefahr, aber ich habe es noch in der Ausbildung gelernt. Stundenlang musste ich eingeschäumte Luftballons rasieren - sind mir alle geplatzt. Seitdem halte ich mich wirklich lieber an die Schere.
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In der Branche arbeiten rund 230 000 Friseure und Friseurinnen. +++ In den rund 73 500 Friseursalons in Deutschland werden überdurchschnittlich viele junge Menschen
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