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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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Leute ja so interessant.«
    Das Gefühl der Bedrohung war mittlerweile so intensiv geworden, dass es Lena schier den Atem abschnürte.
    »Du meinst …«
    »Ich meine gar nichts«, unterbrach sie Tom. »Ich will nur nicht, dass dir was passiert, das ist alles. Ich dürfte dir das nicht erzählen. Ich dürfte eigentlich nicht mal hier sein, aber ich …« Er rang nach Worten. »Ach, verdammt. Lena, ich will einfach nicht, dass du da in was reingezogen wirst.«
    Lena glaubte das Scharren eisenharter Krallen auf Stein zu hören und den heißen Atem einer namenlosen Albtraumkreatur
im Nacken zu spüren, bewegte sich unruhig auf der Stelle und sah schließlich nach oben … und da war es.
    Sie konnte nicht sagen, was es war, nicht einmal jetzt, wo sie es mit eigenen Augen sah. Es war ein fast unsichtbarer Schemen, nur an den silbrigen Regenschauern zu erkennen, die von seinem Umriss abperlten; ein geducktes, gefährliches … Ding, das wie ein sprungbereites Raubtier über ihr auf der senkrechten Wand hockte, wie eine riesige unsichtbare Spinne, die der Schwerkraft trotzte. Unsichtbare, mörderische Augen, in denen absolut nichts Menschliches war, starrten sie hasserfüllt an.
    Nur dass diese Drohung nicht ihr galt.
    »Ganz ehrlich, Lena, ich weiß nicht, was passieren wird, aber ich hab einfach kein gutes Gefühl bei der Sache.« Tom plapperte munter weiter. Begriff er denn nicht, in welch schrecklicher Gefahr er sich befand? Dieses Ding war gekommen, um ihn zu töten!
    »Ich meine: Ich bin froh, dass du nicht mehr klaust, sondern einen Job gefunden hast, aber das hier … ist nichts für dich.«
    »Weil es nicht deinen Moralvorstellungen entspricht?«, fragte sie spröde.
    Tom blinzelte. »Wie?«
    Das Ding über ihr bewegte sich unruhig. Seine unsichtbaren Klauen waren weiter zum Zuschlagen bereit, aber noch zögerte es, den tödlichen Hieb auszuführen.
    »Ist kein Job nach deinem spießigen Geschmack, wie?«, fuhr sie fort. »Aber da kann ich dir leider nicht weiterhelfen. Ist gut verdientes Geld.«
    Unendlich langsam zog sich der unsichtbare Killer zurück, aber die Drohung blieb, ebenso wie das Wissen, dass das, was sie innerhalb der nächsten Minute sagte, vielleicht über Toms Leben oder Tod entschied.
    »Eigentlich …«, begann Tom lächelnd. »Also, im Grunde wollte ich dich nur fragen, ob wir uns vielleicht irgendwann
mal wiedersehen können. Ich meine … also nicht so offiziell, sondern …«
    »Mehr privat?«, half ihm Lena aus, als er endgültig den Faden verlor. »Vielleicht in einem Eiscafé, auf einen Shake?«
    »Also eigentlich dachte ich an einen etwas privateren Rahmen«, sagte Tom, der jetzt eindeutig verlegen war. Wäre die Situation nur ein klein bisschen anders gewesen, dann hätte seine plötzliche Unbeholfenheit Lena ebenso gerührt wie amüsiert. »Also, ich hab in drei Tagen Geburtstag. Und da dachte ich …«
    »Dass du mich einlädst und Mami und Papi vorstellst?« Sie lachte bewusst verletzend. »Dem einen oder anderen kleinen Beamten mag das ja romantisch vorkommen, aber mir ist das einen Tick zu spießig.«
    Tom sah sie verständnislos an. Die Krallen scharrten weiter über nassen Stein, aber nun zogen sie sich zurück. Ganz langsam.
    »Und außerdem hätte mein Freund was dagegen«, sagte Lena.
    »Dein … Freund?«
    Lena strich mit der linken Hand über das teure Kleid, das sie trug. »Glaubst du, ich könnte mir solche Klamotten leisten? Eine kleine Taschendiebin, die noch dazu so blöd ist, ausgerechnet den Chef der Russenmafia zu beklauen? Bestimmt nicht.«
    »Du hast keinen Freund«, sagte Tom fest. »Ich hab mich erkundigt. Ich weiß alles über dich.«
    »Vielleicht bis vor ein paar Tagen«, antwortete Lena kühl. »Aber du hast recht, ich jobbe hier. Und meine neue Chefin ist sehr großzügig, und sie kennt jede Menge reicher Typen.« Sie hielt ihm das Päckchen hin. »Das hier brauche ich wirklich nicht mehr. Nimm es ruhig wieder mit. Vielleicht lernst du ja ein nettes Mädchen kennen, das besser zu diesen Klamotten passt. Und zu dir.«

    Tom stierte sie einfach nur an, viel zu schockiert, um einen Ton herauszubekommen, und in seinen Augen erschien etwas, was ihr schier das Herz brach.
    Lena wartete eine weitere endlose Sekunde, und als er auch dann noch keinen Finger rührte, um nach dem Päckchen zu greifen, warf sie es ihm vor die Füße, fuhr auf dem Absatz herum und lief mit schnellen Schritten davon.
    Ihr Gesicht war nass, als sie in den Ferrari einstieg, aber sie redete

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