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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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und versetzte ihr einen Stoß, der sie auf die Tür zustolpern ließ. »Los jetzt!«, befahl sie. »Solange wir es noch können.«
    Aber vielleicht war es auch schon zu spät.
    Sie hatten die Tür noch nicht einmal halb erreicht, als sie von außen aufgestoßen wurde und eine weitere Gestalt eintrat.
    »Hallo, Mädels«, sagte Anton. »Ich dachte mir, dass ich euch hier treffe.«
    Nora sprang ihn mit weit ausgebreiteten Armen und einem Fauchen wie eine angreifende Katze an, und Anton machte einen fast gemächlichen Schritt zur Seite und schlug ihr mit dem Handrücken so fest ins Gesicht, dass sie gegen die Wand geschleudert wurde. Nora sank neben dem Russen, den sie gerade ausgesaugt hatte, benommen zu Boden. Anton schlenderte jetzt mit einem breiten Grinsen auf Lena zu. Sie wollte die Fäuste heben, um sich zu verteidigen, aber ihre Arme waren mit einem Mal schwer wie Blei. Sie hatte kaum noch die Kraft, sich auf den Beinen zu halten.

    »Schön, dass wir uns wiedersehen«, sagte Anton. »Gestern war ja alles ein bisschen hektisch, aber jetzt finden wir bestimmt Zeit, um uns ein bisschen besser kennenzulernen.«
    Damit meinte er zweifellos, sie umzubringen. Er hatte ihre Mutter getötet, er hatte Mehmet umgebracht, und jetzt war sie an der Reihe. Verzweifelt hob sie die Fäuste und schlug ungeschickt in seine Richtung. Anton wich ihr lachend aus und schubste sie einfach um.
    Lena landete unsanft auf dem Hinterteil und sah Sterne. Anton lachte noch einmal und holte nun sichtlich dazu aus, ihr mit aller Kraft ins Gesicht zu treten.
    Ein ungeheures Krachen erscholl. Hinter Anton loderte gelbes Feuer, und aus seiner Brust explodierte ein roter Geysir aus Blut und zerfetztem Fleisch und Knochensplittern. Das großkalibrige Geschoss durchschlug ihn mühelos, heulte dicht über Lena hinweg und rammte ein halbmetergroßes Loch in die Wand hinter ihr.
    Eine geschlagene Sekunde lang stand der Russe reglos da, dann machte er einen torkelnden Schritt und sah an sich hinab. In seiner Brust gähnte ein faustgroßes Loch, durch das man hindurchsehen konnte. Ein sonderbarer Laut kam über seine Lippen, gefolgt von einem Schwall Blut von einem so tiefen Rot, dass es fast schwarz wirkte. Langsam fiel er auf die Knie und kippte dann stocksteif zur Seite.
    »Was für ein Idiot«, sagte Nora verächtlich. Sie stand auf, ließ die verchromte Magnum fallen, die Lena dem Russen zuvor aus der Hand geschlagen hatte, und verzog angewidert das Gesicht. »Ich hasse Schusswaffen. Die sind so unsportlich.«
    »Ist er … tot?«, fragte Lena und zeigte auf Anton. Was für eine Frage! Der Kerl hatte ein Loch in der Brust, durch das sie bequem einen Arm schieben konnte! Selbst für einen Vampir musste das eindeutig zu viel sein.
    Nora schüttelte den Kopf. »Nicht für lang, fürchte ich«, sagte
sie. »Beeil dich. Wenn Stepan hier auftaucht, sind wir erledigt!«
    Lena stemmte sich in die Höhe. Nora stützte sie und führte sie zum Ausgang.
    Der Ferrari stand noch dort, wo sie ihn abgestellt hatte, aber etwas hatte sich trotzdem verändert. Er war zu hell. Der lange Kratzer auf der Seite schimmerte wie ein eingefangener gezackter Blitz, und die weiße Metallic-Lackierung schien von innen heraus zu leuchten, was die getönten Scheiben noch dunkler aussehen ließ.
    Es dauerte ein bisschen, bis Lena begriff, warum das so war: Der Ferrari war nicht mehr das einzige unpassende Fahrzeug in dieser Gegend. Zwei weitere Luxuskarossen hatten ihre voll aufgeblendeten Scheinwerfer auf ihn gerichtet, ein schwarzer 7er-BMW und ein zweites, noch größeres Fahrzeug, das sie gegen das grelle Licht nicht identifizieren konnte. Jemand schrie etwas, was sie nicht verstand, sich aber eindeutig russisch anhörte, und ein zorniges Hupen erscholl. Irgendetwas knallte, vielleicht ein Schuss, aber auch da war sie sich nicht sicher. Nora versetzte ihr einen Stoß, der sie auf den Ferrari zustolpern ließ, war wie der Blitz an ihr vorbei und riss die Tür auf.
    Sie schubste Lena auf den Beifahrersitz, huschte wie ein Schatten um den Wagen herum und schien sich hinter dem Steuer mehr zu materialisieren, als dass sie sich setzte. Der Motor erwachte brüllend zum Leben, noch bevor Lena die Tür ganz geschlossen hatte.
    »Halt dich fest!«, befahl Nora. Es knallte ein zweites Mal, diesmal ganz eindeutig ein Schuss, denn im gleichen Sekundenbruchteil zerplatzte die Heckscheibe des Ferraris und fiel in einem Scherbenregen nach innen.
    Lena hätte nicht sagen können, was sie mehr

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