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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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den entgegenkommenden Wagen hindurch. Das wütende Hupen wurde noch lauter, und einer der Fahrer verriss erschrocken das Lenkrad
und prallte nur ein kleines Stück hinter ihnen gegen die Tunnelwand. Der Wagen überschlug sich, löste sich in seine Einzelteile auf und rammte dabei noch zwei weitere Fahrzeuge, von denen einer ebenfalls gegen die Tunnelwand knallte, während sich der zweite lediglich querstellte. Zu Lenas Entsetzen wich der BMW den entgegenkommenden Wagen und Trümmerteilen mit schon magisch anmutendem Geschick aus.
    »Anton«, sagte Nora wütend. »Der Kerl ist gut. Aber ich bin besser, keine Sorge.«
    Das andere Ende des Tunnels kam in Sicht, und der Verkehr nahm zwar nicht ab, wurde aber weniger gefährlich, weil die anderen Fahrer offenbar die Gefahr erkannt hatten und eine Gasse bildeten, um die Selbstmordkandidaten vorbeizulassen. Nora stieß einen triumphierenden Schrei aus und trat das Gaspedal bis zum Boden durch, worauf der Ferrari einen regelrechten Satz machte. Der BMW begann zurückzufallen, wenn auch nicht annähernd so rasch, wie Lena gehofft hatte.
    »Hartnäckig ist der Kerl, das muss man ihm lassen«, schnaubte Nora. »Aber das nutzt ihm nichts.«
    Lena beobachtete nervös, wie die Tachonadel die Zweihundertermarke überschritt.
    Nora erspähte wieder eine Lücke in der Leitplanke und jagte den Wagen hindurch, zielte aber diesmal nicht so genau wie beim ersten Mal; der Ferrari brach zwar nicht gänzlich aus, machte aber einen spürbaren Satz. Funken sprühten, und etwas wie ein gewaltiger Faustschlag traf den Unterboden. Plötzlich stank es durchdringend nach verschmortem Gummi, und auf dem Armaturenbrett ging ein gelbes Warnlicht an.
    »Keine Angst«, sagte Nora und kam damit Lenas Frage zuvor. »Das hat nichts zu bedeuten. Und in einer Minute sind wir sowieso hier weg.«
    Wie als Reaktion auf diese Behauptung begann der Motor zu stottern.

    Nora fluchte, schaltete krachend in einen niedrigeren Gang, und der Wagen beschleunigte wieder. Aber der Motor klang jetzt … anders. Nicht besonders gut.
    Nicht einmal dieses Wahnsinnsmanöver hatte den BMW abgeschüttelt. Schlingernd, aber ohne mit der Leitplanke zu kollidieren, wechselte er hinter ihnen die Spur und beschleunigte ebenfalls; nicht ganz so schnell wie der Ferrari, aber noch immer erschreckend schnell. Der Motor des Ferraris klang jetzt eher wie eine durchgeknallte Nähmaschine, und zu dem gelben Licht gesellte sich ein blinkendes zweites.
    »Sie kriegen uns«, stellte Lena nüchtern fest.
    Diesmal widersprach Nora nicht mehr. Sie schaltete erneut und beschleunigte abermals bis an die Grenzen dessen, was Motor und Getriebe hergaben. Der BMW fiel jetzt so schnell zurück wie ein Stein, der in die Tiefe stürzte. Aber der Motor klang wirklich krank, und der Gestank nach heißem Metall und schmorendem Gummi war nun so durchdringend, dass sie kaum noch atmen konnten. Der Motor würde nicht mehr allzu lange durchhalten.
    Dennoch schöpfte Lena noch einmal neue Hoffnung, als sie sah, wie schnell der BMW jetzt zurückfiel, wo eine vollkommen gerade, leere Straße vor ihnen lag, auf der der Ferrari seine überlegene Kraft endlich in vollem Umfang entfalten konnte.
    Unglückseligerweise war der Straßenabschnitt weniger als einen Kilometer lang, bevor er in einen dreispurigen Kreisverkehr mündete, der den Verkehr in alle Himmelsrichtungen verteilte.
    »Vertraust du mir?«, schrie Nora über das Kreischen des gepeinigten Motors hinweg.
    »Natürlich nicht!«, brüllte Lena zurück.
    »Gut!« Nora lachte, rammte den Wagen nahezu ungebremst in einem absolut selbstmörderisch erscheinenden Manöver in
den Kreisverkehr und fügte mit einiger Verspätung hinzu: »Dann halt dich fest!«
    Das tat Lena ohnehin schon, und zwar mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte. Jetzt hielt sie zusätzlich die Luft an und wartete darauf, dass sich der Wagen überschlug und sie zu Mus zerquetscht oder in kleine Stücke gerissen wurden. Stattdessen brachte Nora das Kunststück fertig, den Ferrari auf kreischenden Reifen durch den Kreisverkehr zu prügeln. Ein paarmal berührten sie leicht den Bordstein. Eine verchromte Radkappe flog davon, kappte wie eine fliegende Guillotine einen mannsgroßen Busch und verschwand dahinter. Auf dem letzten Drittel zog der Ferrari Funken hinter sich her, weil ein halb abgerissenes Metallteil eine rauchende Spur in den Straßenbelag fräste. Dann hatten sie den Kreisverkehr einmal komplett umrundet, und der Wagen schoss

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