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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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schüttelte den Kopf. »Sie würden uns nur behindern«, sagte sie. »Du musst aufhören, dein Herz an Dinge zu hängen, Lena. Sie sind nicht wichtig. Außerdem hinterlassen sie Spuren.«
    »Und eine auffallend hübsche junge Frau, die die Antiquariate abklappert und Bücher kauft, die doppelt so alt sind wie sie selbst, tut das nicht?«

    »Du lernst schnell«, sagte Charlotte anerkennend und wechselte dann abrupt das Thema. »Louise will uns sehen. Willst du dich noch umziehen, ehe wir runtergehen?«
    »Wozu?«, fragte Lena. Charlotte hob nur die Schultern und wandte sich zur Tür, und Lena folgte ihr, aus einem absurden Grund heraus irgendwie enttäuscht, dass es ihr nicht gelungen war, Charlotte weiter zu provozieren.
    Louise saß mit angezogenen Knien auf dem Bett und telefonierte mit dem Handy, winkte ihnen aber aufgeräumt zu, näher zu kommen. Dann klappte sie das Gerät zufrieden zu. »Der Wagen ist gleich hier«, sagte sie. »Sie stellen ihn direkt vor der Tür ab.«
    »Welcher Wagen?«, erkundigte sich Lena.
    »Ich habe einen Wagen gemietet. Oder wolltest du zu Fuß gehen?«
    »Es ist noch nicht einmal Mittag.«
    »Und spätestens in einer halben Stunde fängt es an zu schütten wie aus Eimern«, erwiderte Louise. »Glaub mir. Ich könnte bei jedem Wetterdienst Karriere machen.«
    »Und dann?«, fragte Lena.
    »Würde ich reich und berühmt. Aber das eine bin ich schon, und an dem anderen liegt mir nun wirklich nichts.«
    »Der Wagen«, sagte Lena mühsam beherrscht. Wieso hatte Louise es plötzlich so eilig? »Wohin fahren wir?«
    »Das könnte ich dir sagen, aber dann müsste ich dich anschließend töten.«
    »Ja, das ist komisch. Es geht mich wohl nichts an, oder?«
    »Sind wir ein bisschen aggressiv?«, sagte Louise. »Also, ich habe Flüge für uns gebucht, übermorgen Abend, ab Paris. Ein Nachtflug nach Mexico City. Wolltest du nicht immer schon einmal in die Karibik?«
    »Weil es dort so schön sonnig ist?«, fragte Lena.
    »Wir landen kurz nach Sonnenuntergang, und vor Ort ist
alles vorbereitet, mach dir keine Sorgen«, erwiderte Louise. »Ich habe ein bisschen Erfahrung im Planen von Reisen.«
    »Und vorher? Wieso fliegen wir nicht heute? So weit ist es nicht bis Paris.«
    Louise schüttelte den Kopf. »Wir haben erst noch etwas zu erledigen.« Sie bedachte Lenas Kleidung mit einem strafenden Blick. »Willst du so fahren?«
    »Warum nicht?« Lena schob trotzig die Unterlippe vor. »Wenn jemand nach uns sucht, dann halten sie wahrscheinlich Ausschau nach vier Luxustussis, nicht nach drei Luxustussis und einem Straßenköter.«
    Louise wirkte ein bisschen verärgert, aber fing sich sofort wieder. »Ich mag Straßenköter«, sagte sie. »Es ist so niedlich, wenn sie rumkläffen und sich wie richtig große, gefährliche Hunde aufführen …«
    Lena setzte zu einer Antwort an, aber Charlotte trat zwischen Louise und sie. »Wo ist Nora?«, fragte sie rasch.
    »Keine Ahnung«, antwortete Louise. »Oder doch. Sie ist runtergegangen, in die Sauna. Du könntest sie holen.«
    »In die Sauna?«, sagte Charlotte zweifelnd.
    Louise schnalzte abfällig mit der Zunge. »Sie hat sich mit ihrem kleinen Romeo verabredet, glaub ich. Wahrscheinlich will sie ihm zum Abschied seine feuchten Träume erfüllen.« Sie sah auf die Armbanduhr. »Aber eine Stunde sollte eigentlich ausreichen. Nicht dass der arme Junge noch einen Herzschlag bekommt. Wäre doch schade um den hübschen Kerl.«
    Die Verachtung, die aus diesen Worten sprach, machte Lena wütend, doch bevor sie etwas sagen konnte, legte ihr Charlotte die Hand auf die Schulter. »Ich hole sie«, sagte sie. »Begleitest du mich, Lena?«
    »Und trödelt nicht zu lange herum«, fügte Louise hinzu. »Der Mietwagen wird nach Stunden berechnet, und er ist nicht billig.«

    Warum sagte sie das, dachte Lena zornig. Warum war sie mit einem Male so … böse?
    »Wir beeilen uns«, versprach Charlotte und zog Lena mit sich aus dem Zimmer. Erst als sie fast bei der Treppe waren, konnte Lena, sich losreißen. Sie wollte Charlotte zornig anfunkeln, schluckte aber hinunter, was ihr auf der Zunge lag. »Warum tut sie das?«, fragte sie nur.
    »Louise?« Charlotte machte ein nachdenkliches Gesicht. »Glaubst du, es fällt ihr leicht, das alles hier aufzugeben?« Sie begannen die Treppe hinunterzugehen. »Ich weiß, was sie immer sagt, aber wir sind jetzt schon seit ein paar Jahren hier, und sie hat ihr Herzblut in den Club gesteckt.« Sie lächelte knapp, als wäre ihr das

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