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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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Charlotte aus dem Gleichgewicht, und Anton trat ihr so hart in den Leib, dass sie unmittelbar vor ihm auf die Knie fiel, sich krümmte und sich dann würgend übergab.
    »Wie unappetitlich«, sagte Anton angewidert. »Und so entwürdigend.«
    Lena stemmte sich unsicher in die Höhe. Die Wunde in ihrer Brust war längst wieder verschwunden, und erstaunlicherweise verspürte sie jetzt nicht den Hauch von Angst, obwohl ihre Lage aussichtslos erschien. Sie hatte gesehen, wozu Anton fähig war. Nicht einmal Charlotte, Nora und sie zusammen waren dem Strigoi gewachsen.
    »Lass sie in Ruhe!«, sagte Nora auf einmal. »Die beiden haben nichts damit zu tun.« Lena sah überrascht in ihre Richtung. Nichts damit zu tun? Womit?
    »Dazu ist es leider zu spät«, antwortete Anton. »Vor ein paar Tagen wäre es noch gegangen, aber jetzt …« Er deutete auf Lena. »Bedank dich bei deiner kleinen Freundin da … oder Louise. Sie hätte ihr sagen sollen, wie es läuft.«
    Lena verstand nicht, wovon er sprach, und wenigstens ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, erging es Charlotte genauso. Sie sah ein paarmal von ihr zu Nora und Anton und wieder zurück und sah jedes Mal hilfloser aus.

    »Du musst das nicht tun«, sagte Nora. Ihre Stimme klang sonderbar gefasst, fast schon unangemessen ruhig, fand Lena.
    Aber ging es ihr denn nicht genauso? Ihr war klar, dass sie jetzt sterben würde, und dennoch spürte sie nichts als eine kribbelnde Erregung, etwas fast schon Sexuelles, als sie an den bevorstehenden Kampf dachte, den lodernden Ausbruch explosiver Gewalt, der kommen würde, und das Töten …
    »Leider doch«, seufzte Anton. »Auch wenn es mir anders lieber gewesen wäre, selbst wenn du mir das nicht glaubst.« Er gab seinen beiden Gorillas einen Wink. »Legt sie um.«
    Lena stieß sich von der Wand ab und sprang, und auch Charlotte drehte sich schnell herum, aber sie waren wenig mehr als lebende Tontauben. Lena schaffte nicht einmal die halbe Strecke, bevor eine Schrotladung in ihren Oberschenkel sie zu Boden schleuderte, und Charlotte kippte lautlos nach hinten, nachdem ein fast unsichtbarer Lichtstrahl ihr Gesicht und ihren Hals in Brand gesetzt hatte.
    Als der Russe mit einiger Verspätung auf die Idee kam, seine viel tödlichere Waffe einzusetzen, warf sich Lena zur Seite. Sie entging dem Lichtstrahl um Haaresbreite, verlor auf dem schlüpfrigen Boden aber das Gleichgewicht und fiel. Nora erwachte endlich aus ihrer Erstarrung und stieß sich von der Wand hinter ihr ab. Anton lachte und trat mit geballten Fäusten einen Schritt zurück, um sie in Empfang zu nehmen. Seine spitzen Eckzähne blitzten, und in seinen Augen loderte dieselbe wütende Vorfreude, die auch Lena immer noch tief in sich fühlte. Es war egal, ob sie diesen Kampf überlebte oder nicht. Was zählte, war der Kampf selbst.
    Aber Nora griff ihn gar nicht direkt an. Mit einem gewaltigen Satz hechtete sie an Lena vorbei und stieß den Drahtkorb mit den glühenden Saunasteinen um, kam mit einer Rolle wieder auf die Beine und hielt plötzlich zwei der faustgroßen Kiesel in der Hand. Ihre Haut verbrannte zischend, und es stank
durchdringend nach verschmorendem Fleisch. Als wäre sie wirklich nicht mehr als ein Schatten, jagte sie auf die beiden Russen zu, riss die Arme in die Höhe und erreichte die beiden Gorillas im gleichen Moment, in dem Anton seine Überraschung überwand und sie mit einem brutalen Tritt in den Leib empfing.
    Nora wurde zurückgeschleudert und sank mit einem hilflosen Japsen auf die Knie, doch für seine beiden Gorillas war es trotzdem zu spät. Der eine heulte vor Entsetzen und Qual auf, als Nora ihm den glühenden Stein ins Gesicht drückte. Der andere warf zwar im letzten Moment den Kopf zurück und entging dem glühenden Kiesel, aber der entglitt Noras Fingern, schrammte an seinem Kinn hinab und landete direkt unter dem breiten Kragen seines Hemds. Lena konnte den Weg verfolgen, den er an seiner Brust hinab beschrieb, denn die glänzende Kunstseide des Hemdes färbte sich auf der Stelle schwarz und begann zu schwelen, und seinem hysterischem Kreischen und den hektischen Verrenkungen nach zu urteilen, erging es seiner Haut nicht anders. Brüllend ließ er die Waffe fallen und brach zusammen.
    Charlotte stürzte sich auf ihn und zerfetzte ihm mit einem einzigen Krallenhieb die Kehle. Gleich darauf schleuderte Anton sie mit einem Fußtritt zu Boden und riss die Arme in die Höhe. Seine Hände waren zu Klauen geworden, dürr und sehnig und

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