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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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Der Gestank nach Tod und Blut war so übermächtig, dass er ihr schier den Atem nahm
und aus dem Hunger, der in ihren Eingeweiden wühlte, rasende Verzweiflung machte. Aber ein Teil von ihr registrierte auch mit schierem Entsetzen, wie allumfassend das Gemetzel war, das der Strigoi angerichtet hatte: Nur zwei seiner Leute und nicht ein einziger Polizist waren noch am Leben, und diese beiden standen mit kreideweißem Gesicht da und sahen aus, als wären sie gerade dem Leibhaftigen begegnet. In gewissem Sinn waren sie das auch, dachte Lena. Sie war sich plötzlich sehr sicher, dass all diese Iwans bis vor einer Minute keine Ahnung gehabt hatten, für wen sie wirklich arbeiteten.
    Sie war sich auch ebenso sicher, dass sie diesen Tag nicht überleben würden.
    Auch der junge Kerl mit der Lederjacke war noch am Leben, wenn auch nur noch kurz. Stepan brach ihm mit einem Fußtritt das Genick, als sie die Wache verließen und in die Nacht hinaustraten. Seine beiden Schläger schlossen sich ihnen an, und Stepan bedeutete einem von ihnen mit einem Wink, die Tür zu schließen. Er hatte offenbar beschlossen, die Leichen der drei anderen einfach zurückzulassen - was Lena schlichtweg nicht verstand. Wieso ließ er nicht gleich eine Visitenkarte zurück oder seinen Pass und ein unterschriebenes Geständnis?
    »Holt den Wagen!«, knurrte Stepan. »Fjodor soll sich beeilen, und …« - und dann wurde alles anders.
    Lena presste geblendet die Lider zusammen, weil die Dunkelheit vor ihr vom grellen Licht zweier voll aufgeblendeter Scheinwerfer zerrissen wurde, das sich leuchtender Säure gleich in ihre Augen fraß. Zugleich brüllte vor ihnen ein schwerer Motor auf, und sie hörte das Kreischen von Reifen, die auf dem nassen Asphalt durchdrehten. Etwas Riesiges und Schwarzes und Chromglänzendes sprang wie ein Ungeheuer aus dem tiefsten Schlund der Hölle direkt auf sie zu.
    Stepan fuhr ebenso erschrocken zusammen wie sie, und seine Aufmerksamkeit ließ für eine Winzigkeit nach. Lena nutzte
die Gelegenheit, sich mit einem verzweifelten Ruck loszureißen und zur Seite zu springen. Etwas streifte sie mit der Wucht eines Vorschlaghammers und schleuderte sie zu Boden.
    Der Strigoi hatte weniger Glück. Der verchromte Stoßfänger des Hummer erfasste ihn frontal und zerschmetterte ihm wohl jeden einzelnen Knochen im Leib, als der tonnenschwere Wagen zusammen mit ihm ungebremst gegen die Wand krachte. Einer der Scheinwerfer zerbrach. Eine Wolke aus staubfeinem Blut stob in alle Richtungen hoch und legte sich wie dunkelroter, klebriger Nebel über alles im Umkreis mehrerer Meter. Etwas Helles prallte von innen gegen die Windschutzscheibe des Hummer und ließ sie auf ganzer Länge reißen.
    Lena wälzte sich unsicher auf den Bauch und brauchte nahezu ihre ganze Kraft, um sich auf alle viere hochzustemmen. Neben ihr heulte der Motor des Hummer noch lauter auf, als Louise erbarmungslos weiter Gas gab, und was von Stepan noch übrig war, das kippte mit ausgebreiteten Armen und leeren Augen vornüber auf die Motorhaube.
    Der Hummer stieß einen halben Meter zurück, und Stepans lebloser Körper rutschte langsam von der Motorhaube, wobei er eine schmierige Spur aus schwarzem Blut hinterließ. Louise wartete, bis seine Schultern hinter der Motorhaube verschwunden waren, dann prügelte sie krachend den Gang hinein und rammte den Hummer noch einmal gegen die Wand. Auch der zweite Scheinwerfer zerbrach, und Dampf zischte unter der Motorhaube hervor. Der Motor ging mit einem letzten, protestierenden Rülpsen aus, und Louise stieß die Tür auf und glitt mit einer fast obszön eleganten Bewegung aus dem Wagen. Eine sichelförmige Schnittwunde prangte über ihrem linken Auge, wo sie gegen die Windschutzscheibe geprallt war, verschwand aber, noch während Lena hinsah.
    »Komm«, sagte Louise. »Schnell! Sie sind in spätestens drei Minuten hier!« Ohne Lenas Reaktion abzuwarten, zog sie sie in
die Höhe und dann hinter sich her um das Heck des Wagens herum.
    Charlotte stand auf der anderen Seite und richtete sich gerade in diesem Moment über dem reglosen Körper eines der beiden Gangster auf. Ihr Mund und ihre Hände glänzten rot. Der zweite Russe lag nur wenige Schritte entfernt auf dem Rücken und starrte aus weit aufgerissenen, leeren Augen in den Himmel.
    »Stepans Wagen steht auf der Rückseite«, sagte sie, während sie sich mit dem Handrücken über den Mund fuhr. »Den können wir nehmen.«
    Louise nickte knapp, ließ Lenas Arm los und

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