Wir sind die Nacht
aus Trümmerstücken auf irgendetwas aufschlug, das unter ihrem Gewicht in Stücke ging.
Die Welt hinter ihren geschlossenen Lidern hatte sich in ein irrsinniges Karussell verwandelt, dass immer schneller rotierte, und in ihrer rechten Halsseite wütete ein entsetzlicher Schmerz, der bis in die entferntesten Nervenenden ihres Körpers raste. Zugleich fühlte sie sich wie gelähmt, unfähig, auch nur einen Muskel zu rühren, ja, auch nur die Augen zu öffnen. Schreie gellten in ihren Ohren, ein dumpfes Poltern und Krachen, gefolgt von einem entsetzlichen nassen Reißen, von dem sie nur zu gut wusste, was es bedeutete. Stepan war ihr nicht gefolgt, sondern brach den Widerstand der verzweifelten Polizisten auf seine ganz eigene Art, und dieser Gedanke war vielleicht der schrecklichste von allem, denn auf einer tieferen, unendlich müden Ebene ihres Bewusstseins begriff sie, dass alles, was jetzt dort draußen geschah, ganz allein ihre Schuld war.
Und vielleicht war es allein dieser Gedanke, der ihr schließlich doch die Kraft gab, die Augen zu öffnen und sich mühsam auf die Ellbogen hochzustemmen. Wenn sie jetzt auf das lautlose verlockende Flüstern in ihren Gedanken hörte, das ihr klarzumachen versuchte, wie sinnlos jeder Widerstand sein musste, wie leicht es wäre, aufzugeben und auf die große Dunkelheit zu warten, dann waren nicht nur all diese Menschen dort draußen völlig umsonst gestorben, dann würde der Strigoi auch nach Tom suchen und ihn töten.
Trotz regte sich in ihr, und plötzlich hatte sie Zugriff auf ein Reservoir neuer, bisher ungekannter Kraft, möglicherweise nicht annähernd genug, um es mit dem uralten Vampir aufzunehmen, aber doch ausreichend, die Lähmung zurückzudrängen und den tobenden Schmerz in ihrem Hals wenigstens zu ignorieren.
Sie begriff erst jetzt, dass sie wieder in dem kleinen Verhörzimmer war, auch wenn es sich auf dramatische Weise verändert hatte. Der Tisch und einer der Stühle waren zerbrochen, und die Tür hinter ihr stand offen. Eine Gestalt befand sich darunter.
Lummer. Er hielt eine Waffe in den Händen und stand breitbeinig da, aber auch er sah einfach nur entsetzt aus … wenn auch auf eine Art, die irgendwie … seltsam war. Er rührte sich nicht.
Auch nicht, als nach einigen weiteren Sekunden ein neuerliches Krachen erscholl, mit dem Stepan mit wütenden Schlägen die Öffnung in der Wand verbreiterte, durch die sie gebrochen war, um zu ihr hereinzukommen.
»Verdammtes Miststück«, zischte er, während sich seine Hand mit unerbittlicher Kraft in ihr Haar krallte und sie auf die Beine zerrte. »Verdammtes, elendes Miststück!«
Lena sah den Hieb diesmal kommen und riss schützend die Hände vors Gesicht, aber Stepan war so unendlich viel stärker als sie. Der Schlag schleuderte sie quer durch den Raum und gegen die Wand direkt neben der Tür, wo sie wieder benommen zusammenbrach.
»Stepan!«, keuchte Lummer. »Bist du wahnsinnig geworden? Hör auf!«
Etwas stimmte nicht. Etwas war hier ganz und gar nicht so, wie es sein sollte, aber Lena war viel zu erschrocken, zu verängstigt und der Bewusstlosigkeit viel zu nahe, um den Gedanken weiterzuverfolgen. Schritte polterten. Etwas Großes, Dunkles beugte sich über sie, zerrte sie erneut auf die Beine und schlug ihr so hart in den Leib, dass sie spüren konnte, wie mehrere Rippen brachen. Blut füllte ihren Mund, ihr eigenes, bitter schmeckendes Blut, und das Raubtier in ihr, das bisher nur aus bloßer Wildheit und dem bedingungslosen Wunsch zu töten bestanden hatte, heulte nun in schierer Todesangst auf, als es begriff, dass es einem Feind gegenüberstand, dem es nichts entgegenzusetzen hatte.
Stepan schlug sie noch einmal und womöglich noch härter und legte dann eine seiner Pranken auf ihr Gesicht, um ihren Hinterkopf mit furchtbarer Gewalt gegen die Wand zu
schmettern. Lena hörte ein trockenes Knacken und fragte sich, ob es ihr Schädel war oder die Wand hinter ihr. Alles wurde rot. Seltsamerweise spürte sie plötzlich gar keine Schmerzen mehr.
Ungeschickt versuchte sie nach Stepan zu beißen, aber der Strigoi lachte nur, zog die Hand schnell zurück und schlug ihr dann so fest ins Gesicht, dass ihre Unterlippe wie von einem Skalpell geteilt aufplatzte.
»Hör auf!«, brüllte Lummer. »Bist du verrückt geworden?«
Stepan lachte und schlug ihr noch einmal und noch härter mit dem Handrücken ins Gesicht, und Lummer brüllte so laut, als hätte der Hieb ihn getroffen, war mit einem Schritt bei
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