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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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ihrer Reichweite verschwanden.
    Ihr Blick blieb an einer jungen Frau hängen, die auf einer der riesigen Boxen stand und sich wie eine Go-go-Tänzerin bewegte: ungefähr in ihrem Alter, schätzte Lena, kurz geschnittenes dunkles Haar und gerade noch ausreichend gekleidet, um nicht wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet zu werden. Sie wiegte sich in einem Rhythmus, den es in dem kreischenden Heavy-Metal-Stück, das die Box unter ihren nackten Füßen erzittern ließ, zwar nicht gab, dennoch aber auf eigentümliche Weise dazu passte.
    Das Ergebnis war … verwirrend. Die Dunkelhaarige bewegte sich, wie Lena es noch nie zuvor gesehen hatte, schnell und rhythmisch und hart und zugleich auf eine sinnliche Art, die eine verstörende Reaktion in ihr auslöste. Sie hatte sich nie für Frauen interessiert - nicht so -, aber da war etwas im schmalen Gesicht des dunkelhaarigen Mädchens und vor allem an ihrer Art, sich zu bewegen, was sie sofort in den Bann schlug. Ihr Herz begann zu klopfen.

    Anscheinend war sie nicht die Einzige, die der Anblick des vermeintlichen Go-go-Girls faszinierte. Jemand rempelte sie unsanft an, ein dunkelhaariger Bursche in zerschrammten Lederklamotten, die garantiert von Gucci oder Versace stammten, und dem dazu passenden Gehabe. Die Kleine auf der Box faszinierte ihn anscheinend so sehr, dass er Lena vor ihm nicht wahrnahm (oder sie ihm egal war) und sie einfach aus dem Weg schob.
    Lena revanchierte sich, indem sie ihm das Weitergehen erleichterte, weil er sich nicht mehr mit dem Gewicht seiner Brieftasche abschleppen musste, wich rückwärts vor ihm zurück und sah sich nach einer weiteren Beute um; und zugleich der letzten für diesen Abend. Drei war eine gute Zahl, fand sie. Und sie hatte ihr Glück für einen Tag nun wirklich genug herausgefordert.
    Sie entdeckte einen Burschen, der mit offener Jacke ganz allein am Rand der Tanzfläche stand, und schlenderte unauffällig auf ihn zu. Seine rechte Jackentasche war ausgebeult und schrie geradezu danach, geplündert zu werden. Den kleinen Gefallen würde sie ihm noch tun und dann von hier verschwinden.
    Wenn man es genau nahm, überlegte sie, dann tat sie ihm vermutlich sogar wirklich einen Gefallen. Die paar Kröten, die er bei sich hatte, würden einem Typen in einer 2000-Euro-Jacke kaum wehtun, aber im Gegenzug hatte er für Wochen etwas, worüber er erzählen und womit er angeben konnte. Wenn man es also ganz genau nahm, dann war sie weniger als Diebin denn als Entertainerin unterwegs, zumindest heute und an diesem ganz besonderen Ort. Streng genommen bot sie eine Dienstleistung an, und das Einzige, was man ihr vorwerfen konnte, war, dass sie sich nicht immer vergewisserte, ob ihre Kunden diesen Dienst auch tatsächlich wollten.
    Lena lächelte über ihre eigenen Gedanken und bewegte sich weiter auf den Angeber mit der Lederjacke zu. Einen, zwei, drei
Schritte weit, dann wurde das Gefühl, angestarrt zu werden, wieder so intensiv, dass ihr ein eisiger Schauer über den Rücken lief. Sie konnte spüren, wie sich die feinen Härchen auf ihren Unterarmen und Handrücken aufrichteten und ihr Herz noch einmal schneller schlug. Selbst das Luftholen fiel ihr mit einem Mal schwer.
    Sie blieb stehen und bereitete sich innerlich darauf vor, möglichst rasch von hier zu verschwinden.
    Diesmal schienen ihre Instinkte sie aber getäuscht zu haben.
    Rings um sie herum herrschte nämlich auf einmal eine Anspannung, die eine Sekunde zuvor noch nicht da gewesen war. Und Lena war nicht der Grund dafür. Vielmehr schritt hinter ihr eine … blonde Göttin über die Tanzfläche. Anders konnte Lena die junge Frau nicht beschreiben, vor der sich die Reihen der Tanzenden nun wie ganz selbstverständlich teilten. Sie war ein wenig größer als Lena und ein paar Jahre älter - nicht sehr viele -, hatte schulterlanges lockig blondes Haar und irgendetwas an sich, was es nicht nur ihr unmöglich machte, den Blick von ihr zu wenden. Etliche der Tanzenden starrten sie an, und nicht wenige grüßten sie oder schenkten ihr ein schüchternes Lächeln. Offenbar war sie hier keine Unbekannte.
    Und ebenso offenbar war die blonde Schönheit mindestens genauso reich wie leichtsinnig, denn das, was Lena auf den ersten Blick für ein blitzendes Schmuckstück am Träger ihres Kleides gehalten hatte, entpuppte sich bei genauerem Hinsehen als schmaler Metallclip, unter dem ein ansehnliches Päckchen ordentlich zusammengefalteter Zweihunderter steckte.
    Also gut, wenn sie

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